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Sind Sie Melancholiker? Das Aquarium wird Ihnen frohe Stunden bereiten und heitere Tage schaffen, wird Sie das vergessene Lachen wieder lehren.

Sind Sie Phlegmatiker? Es wird Ihnen Beine machen, wird Ihre Taillenweite verringern, Ihren trägen Puls beschleunigen.

Es ist ganz gleich, wie groß Ihr Aquarium ist. Die Verwaltung eines Gefäßes von der Größe eines Weißbierglases erfordert genau so viel Sorgfalt, wenn man die Sache nicht kennt, wie ein Becken, in dem Sie ein Sitzbad nehmen können; kennt man sich aber darin aus, so macht ein Aquarium, das zwölf Eimer Wasser schluckt, nicht mehr Mühe, als eins, das einen halben Liter faßt.

Als Besitzer eines Aquariums brauchen Sie kein Theater, keine Romane mehr: es bringt Ihnen Lustspiele und Possen, Schauspiele und Trauerspiele. Das Aquarium lehrt Sie, das Leben verstehen, macht Sie zum Weltweisen, zum Manne des Nil admirari.

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Mein Aquarium ist klein, einen Fuß hoch, dreiviertel breit. Seinen Boden bedeckt Kies, darin wächst Wasserpest und Vallisneria, und auf dem Wasser schwimmt ein Teppich von Salvinien.

Es ist unglaublich, wieviel Philosophie diese drei Pflanzen schon in meinen Gehirnzellen zutage gefördert haben.

Sehen Sie sich einmal die Wasserpest an. Ein uninteressantes Kraut, nicht wahr? Es stammt aus Kanada. Ein Sammler brachte es in den Berliner Botanischen Garten. Der war ihm zu eng, und es verließ ihn, eroberte sich die Spree, die Netze, die Warthe, die Oder, die Weichsel, die Weser, den Rhein, die Donau.

Es wuchs, wuchs und wuchs. Verstopfte die Schleusen, hemmte die Schiffahrt. Alle Zeitungen schrieben darüber.

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Löns: Der zweckmäßige Meyer. Sponholtz, Hannover 1911, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loens_Der_zweckmaessige_Meyer.pdf/52&oldid=- (Version vom 1.8.2018)