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fuchsige Waldmäuse mit äußerst langen Schwänzen. Jetzt sitzen sie sich gegenüber und kucken sich mit ihren großen schönen schwarzen Augen lustig an. Dann macht der Mäuserich einen Hops, und die Mäuseline witscht nach der Seite, und mit Gequike und Gekicher geht es dahin, daß ein Zaunkönig ganz erschrocken von seiner wissenschaftlichen Untersuchung einer ihm unbekannt vorkommenden Mücke aufschreckt, auf einen Buchenstumpf hüpft, und von da herunter mit schnarrendem Gardeton seiner inneren Entrüstung lauten Ausdruck verleiht.

Eigentlich hatte er vor, von drei bis vier Uhr zu singen; aber da die anderen alle singen, verzichtet er zugunsten seiner Gegner nach dem Motto: „Wenn alles singt, mag Karl allein nicht singen.“ So ist er immer und darum hat er wenig Verkehr, denn kein Vogel mag mit einem anderen umgehen, der im Winter, wenn alle die Schwänze hängen lassen, den seinigen so hoch trägt, als wäre er mit Bartwichse gesalbt, und der, wenn die anderen vor Hunger kaum „Piep“ sagen mögen, so fidel singt, als äße er jeden Tag dreimal warm.

Da ist die Fledermaus, die eigentlich gar kein richtiger Vogel ist, viel taktvoller; sie paßt sich der allgemeinen Sitte trotz ihres Mangels an Federn an und sagt keinen Ton. Vom November an hat sie unter den Dachsparren gehangen mit dem Kopfe nach unten. Auf einmal wacht sie auf, krabbelt, soweit es ihr ihre eingeschlafenen Fußflügel oder Flügelfüße erlauben, bis an die Dachluke, läßt sich herausplumpsen und taumelt in einer so seltsamen Weise im Garten herum, daß die Spatzen, diese Klatschschnäbel, behaupten, sie hätten in unmäßiger Weise dem Genuß geistiger Getränke gehuldigt. Und dabei hat sie nur von dem langen Hängen mit dem Kopfe nach dem Erdinnern Blutandrang zum Gehirn bekommen.

Es ist aber auch möglich, daß sie taumelig fliegt, weil sie etwas schwach auf den Flügeln ist, denn seit Anfang Herbst hat sie keine warme Mücke mehr im Leibe gehabt und ist sehr

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Hermann Löns: Der zweckmäßige Meyer. Sponholtz, Hannover 1911, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loens_Der_zweckmaessige_Meyer.pdf/23&oldid=- (Version vom 1.8.2018)