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wirkten sowie daß der Knoblauchduft ihres Atems alle Düfte der Blumen übertreffe, und ich dachte mir, was wohl ein junges Mädchen unserer Art sagen würde, sänge man sie auf diese Weise an. Aber als sachlich und allgemein denkender Mensch fragte ich mich auch, was die betreffende Arabermaid wohl für runde Augen gemacht haben würde, stülpte einer von den Dichtern unserer Tage einen gehäuften Verskorb mit schöngebundenen Gefühlen vor ihr aus, und ich konnte mich der Annahme nicht verschließen, daß der Erfolg mindestens recht mäßig ausfallen würde.

Es gibt ein uraltes Sprichwort, so da lautet: „Jedes Tierchen hat sein Pläsierchen.“ Wie wahr ist es! Und wie wenig denkt der Mensch daran, führt er seine Gedanken in der Natur spazieren. Weil er den Gesang der Nachtigall schön findet, so erklärt er ihn für schön, ohne aber den Beweis dafür zu erbringen, daß er nun auch wirklich schön ist. Und warum hält er ihn für schön, obwohl die Nachtigall glucksende, schnarrende und quiekende Töne neben ihrem Geflöte von sich gibt und fortwährend große Pausen macht? Nur weil sie gewisse Flötentöne hervorbringt, die denen, die der Mensch selber pfeifen kann, ähneln. Und da Amsel und Märzdrossel in ähnlicher Weise pfeifen, so steht es für ihn fest, daß diese Vögel Singvögel sind. Heult aber der Waldkauz noch so zärtlich, röchelt die Schleiereule noch so süß, brüllt die Dommel noch so ergreifend, so bedeckt sich der Mensch mit einer Gänsehaut und erklärt diese Laute für ungebildet, störend und unziemlich, und nur deshalb, weil er eine zu unbiegsame Stimme hat, um sie nachahmen zu können. Aber sich hinzusetzen, nachzudenken und zu dem Ergebnisse zu kommen, daß Waldkauz, Schleiereule und Dommel sich nicht nur in ihren, sondern auch in weiteren Kreisen unsterblich lächerlich machen würden, gäben sie ihrer Liebessehnsucht nach Art der Nachtigallen, Amseln und Märzdrosseln Ausdruck, das fällt ihm in seiner Eingebildetheit nicht ein.

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Hermann Löns: Der zweckmäßige Meyer. Sponholtz, Hannover 1911, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loens_Der_zweckmaessige_Meyer.pdf/17&oldid=- (Version vom 1.8.2018)