Seite:Loens Der zweckmaessige Meyer.pdf/139

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

kostbare Teppich vor dem wunderschönen Kamin ein Brandloch zeigte, auch war in dem einen Fenstervorhange ein Riß und auf einem aufgeschlagenen Buche mit herrlichen alten Kupferstichen lag ein Zigarrettenstümpfchen, das mitten in einem der Bilder einen häßlichen gelben Fleck hinterlassen hatte, und hier und da war nur mangelhaft Staub gewischt. „Sagen Sie mal, wie heißt die Dame eigentlich?“ frug Meyer; „ich habe vorhin nicht richtig verstanden. Latour?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nee, Natur,“ sagte ich, „Frau von und zu Natur. Sie ist ein famoses Frauenzimmer, ein bißchen launenhaft und dann wird sie leicht boshaft, aber ich mache mich dann einfach über sie lustig, und sofort ist sie wieder gut, denn alles kann sie vertragen, nur nicht, daß man sie ernst nimmt.“ Meyer machte kugelrunde Augen, als er mich frug: „Sie nehmen sie nicht ernst?“ Ich lachte: „Gar nicht; sie mich ja auch nicht. Schickte mir erst vorgestern ein Paket und als ich es aufmache, was glauben Sie, was darin ist? Ein gehöriger Schnupfen.“

Aber da kam sie selber, in einem so wunderbaren hafergelben, kornblumenblau und mohnrot ausgezierten Nachmittagskleide, das ihre prachtvollen Unterarme und ihren schönen Hals frei ließ, daß Meyer vor Weh und Wonne an zu schwitzen fing und erst wieder zu sich kam, als er drei Kognaks binnen hatte, und er war ganz selig, als ihm drei Kisten mit echten Habannas vorgesetzt wurden, und als er gar ein Münchener bekam, das grade so war, wie er es mochte, fing er auf eine Art zu balzen an, daß ich es mit der Angst bekam. Es war unglaublich, welche Menge handfester Schmeicheleien er vor ihr ausstülpte, wie er die Zweckmäßigkeit ihres Schaffens, die Umsichtigkeit ihres Waltens und ihre mütterliche Güte pries und sie dabei mit seinen immer blanker werdenden Augen verschlang und es gar nicht merkte, daß sie vergessen hatte, einen Haarwickel aus ihren etwas liderlich aufgesteckten Locken zu nehmen, und daß auch die Strümpfe, die sie jetzt

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Löns: Der zweckmäßige Meyer. Sponholtz, Hannover 1911, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loens_Der_zweckmaessige_Meyer.pdf/139&oldid=- (Version vom 1.8.2018)