Seite:Loens Der zweckmaessige Meyer.pdf/108

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Messingleuchter, eine stählerne Lichtschere und zwei versteinerte Seeigel.

Der eine ist blond, der andere ist bräunlich. Den brünetten fand ich auf einem schmalen Heidpatt an der Grenze der Jagd, an dem Abend, als ich im Stangenholze den Bock schoß. Der blonde lag auf der Landstraße. Ich wischte mit einem Kiefernzweige die Wildfährten aus und fand ihn. Ein Hirsch hatte ihn aus dem Boden getreten.

Die beiden Seeigel haben eine Geschichte. Sie gehörten einmal zusammen. Es ist kein Zufall, daß sie jetzt wieder zusammen sind. Sie liebten sich einst, denn es ist ein Männlein und ein Fräulein, ein blonder Herr und eine brünette Dame.

Im Eismeer war es, hoch oben im Norden, da sah er sie. Sie saß im Tang an der Küste. Als sie ihn sah, kokettierte sie mit ihm. Da war er geliefert. Er krabbelte auf seinen vielen Füßchen an sie heran und sagte ihr galante Dinge. Das gefiel ihr. Das hatte ihr noch keiner gesagt. Sie war etwas kurz und dick und es gab hübschere Seeigelinnen als sie. Er war unglaublich verliebt in sie. Er fand alles reizend an ihr, sogar die mangelnden Stacheln auf der linken zweiten Reihe. Auch ihren etwas schleppenden Gang. Und wenn sie ihm lachend ihr laternenähnliches Gebiß zeigte, dann kugelte er vor Freude auf dem Meeresgrunde herum. Sie war ihm treu, denn augenblicklich verkehrte in der kleinen Bucht kein Seeigelherr mehr.

Eines Tages erschien aber ein Seeigelgigerl in der Bucht. Er hatte zwar kein Gemüt, aber modernere Stacheln als der Blonde, Stacheln mit bunten Ringen und mit Knöpfen an den Enden. Er wußte allerlei Schnurren und Witze, die der Blonde nicht kannte. Ganz reizend erzählte er die Geschichte von dem verliebten Hering und der Auster. Das Seeigelfräulein hatte keinen psychologischen Scharfblick. Es sah nur auf die glänzende Außenseite. Ihr gefiel der Flirt des Elegants aus der großen Bucht besser, als das ewige „Ich bete

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Löns: Der zweckmäßige Meyer. Sponholtz, Hannover 1911, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loens_Der_zweckmaessige_Meyer.pdf/108&oldid=- (Version vom 1.8.2018)