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6. Die Schlange.

Es ging ein armer Jüngling in dem Dienst eines Königs, dem er aufwarten mußte. Alle Mittage holten sie aus des Königs geheimer Kammer eine Schüßel, die wurde erst aufgetragen, wenn alle andere Gerichte abgenommen und alle Tischgäste weggegangen waren, und kein Mensch wußte, was in der Schüßel war, der Jüngling aber hätte es gern wißen mögen.

Einsmals sollte er in dem geheimen Zimmer des Königs ein wenig aufräumen. Da fand er von ohngefähr die verdeckte Schüßel. Ein bißchen hinein sehen wirst du doch wohl dürfen, dachte er; aber ich weiß nicht, ob er darin recht hatte.

Als er nun hineinsahe, war eine gekochte, weiße Schlange darin, und es zog ihn, als müßte er davon ein wenig kosten. Und er kostete davon ein ganz klein Stückchen.

Er hatte das Stückchen kaum gegeßen, so verstand er die Sprache aller Thiere, und hörte, was die Vögel vor dem Fenster miteinander sprachen.

Deßelbigen Tages war der Königin ihr kostbarster Ring weggekommen und die Königin dachte, der Jüngling habe den Ring genommen; aber ich weiß es nicht, warum sie das dachte. Wäre sie keine Königin gewesen, so hätte sie aussagen müßen: „Warum?“ aber so hatte sie es nicht nöthig.

Nun hieß es, wo er den Ring nicht wieder schaffe, solle er das Leben hergeben. Das machte ihn denn sehr traurig.

Der Jüngling ging in seiner Noth auf den Hof; da saßen ein Paar Enten am Waßer und sonnten sich. Er hörte aber, wie die Enten mit einander vertraulich plauderten, und sprach die eine zu der andern: