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schlachtete sie und aß sie, denn wenn sie ein Kind gegeßen hatte, wurde sie wieder um drei Jahre jünger. So war sie wohl schon tausend Jahr alt geworden. Sie konnte aber nur solchen Kindern Etwas anhaben, die sie zu einem Unrecht verführen konnte, über die andern aber hatte sie keine Macht. Sie hatte das Brodhäuschen dahin gebaut, daß die Kinder davon abbrechen sollten, hätten die Kinder das nicht gethan, so hätte sie ihnen auch nichts thun können.

Früh ehe es noch Tag war, stand das böse Weib auf und trug den Knaben in einen Stall, der hatte ein eisernes Gitter, und Ilsen weckte sie und sagte: „Steh auf, du Faullenz, mach Feuer an, hole Waßer und koche gut Eßen. Deinen Bruder hab ich in den Käfig gesperrt, da sollst du ihn füttern, bis er recht fett ist, dann will ich ihn schlachten.“

Ach wie weinte das arme Mädchen, aber es half ihm nichts! Es mußte alle Tage dem armen Bruder gute Speisen kochen und ihn trösten und hatte doch selbst keinen Trost!

So oft auch die Hexe den Knaben besahe, nahm er doch nicht zu. Das machte die Angst. So wollte sie denn das Mädchen zuerst eßen.

Es waren wohl vier Wochen so hingegangen, da sagte sie eines Morgens: „Mach hurtig, Mädchen, und thue deine Arbeit; heute soll dein Bruder dran, wenn er auch noch magerer wäre, ich will nun länger nicht warten, ich will derweile den Teig zurecht machen, damit wir auch Brodt haben. In ein Paar Wochen schlacht ich dich auch!“

Ilse wollte vor Angst vergehen; aber sie mußte Waßer zum Sieden bringen, die Alte aber heizte den Backofen. Ilse seufzte zu dem lieben Gott und rief ihn an.