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Und als das Jahr um war, bekam die Königin eine Tochter, die nannten sie Röslein. Da war nun große Freude im ganzen Lande, und der König gab ein Fest, zu welchem er alle Feen, die im Lande waren, einladen ließ, deren zwölf waren. Die begabten das Kind mit schönen Gaben, nur die zwölfte begabte es nicht gleich, weil sie sich erst auf etwas recht Gutes besinnen wollte.

Als die Feen bei Tische saßen und aßen, jede auf einem goldenen Teller, da schnurrte es und burrte es zum Fenster hinein, als ob eine ganze Armee Maikäfer kämen, und es trat eine Fee herein, die sahe recht häßlich aus, weil sie so zornig aussahe.

„Ach, das gibt ein Unglück, sagte der König; die haben wir vergeßen. Die ist rachsüchtig, weil sie so empfindlich ist.

Da wollten sie ihr einen Platz am Tische geben, hatten aber keinen Goldteller mehr. Da setzten sie ihr drei silberne Teller hin, und die Königin holte ihr einen Strauß von Diamanten, und legte denselben vor ihre Teller hin. Die Fee aber sahe recht hämisch aus und sagte: „Ihr habt mich verachtet, weil Ihr mich nicht eingeladen habt; ich verachte Euch und Eure Speisen und Diamanten auch – ich brauche sie nicht; aber ich sage Euch, ehe Eure Tochter funfzehn Jahr alt sein wird, soll sie sich an einer Spindel stechen und todt hinfallen.“ Damit zog sie schnurrend wieder fort.

Es waren Alle gewaltig erschrocken, aber die zwölfte Fee sagte: „Beruhigt Euch. Es ist gut, daß ich mich mit meiner Gabe nicht übereilt habe.“

Sie trat an die Wiege des Kindes und sagte: „Du wirst dich stechen und todt hinfallen, aber du wirst nicht todt bleiben, sondern erweckt werden zu seiner Zeit.“

Der König ließ Alles, was nur einer Spindel ähnlich sahe, im ganzen Schloße aufsuchen und fortschaffen, und das Kind wuchs