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Die Kuchen legte sie in einen Korb, mit welchem sie sich unbemerkt und ganz allein auf den Weg machte. Weil sie aber des Gehens ungewohnt war und des Tragens auch, so setzte sie sich unter einen Baum nieder um ein wenig auszuruhen, schlief aber darüber sanft ein, und als sie wieder erwachte, war zwar der Korb noch da, aber die Kuchen waren allzumal fort.

Das Unglück wäre nun wohl so groß nicht gewesen, denn sie konnte ja nach Hause gehen und einen andern Kuchen backen, aber sie hörte schon von allen Seiten das Brüllen der herannahenden Löwen, die den Kuchen schon gerochen hatten.

Da überfiel sie ein solches Entsetzen, daß sie nicht aus der Stelle konnte und in der Todesangst sich nur fest an den Orangenbaum anklammerte, unter welchem sie geschlafen hatte.

Sie hörte über sich im Laube des Baumes rauschen, und als sie hinauf sahe, saß ein kleines Zwerglein, kaum einer Elle hoch, zwischen den Zweigen des Baums, das brach sich Orangen ab und speisete sie; der Zwerg aber sahe ganz gelb aus.

Als nun die Königin zu ihm hinauf sahe, sahe er schmunzelnd zu ihr hinunter und sagte: „Ach, Ihr seids, Frau Königin? Nun, nun! die Löwen seh ich schon kommen, und sie machen einen guten Schritt, und Ihr habt keinen Kuchen mehr; so werden sie Euch denn selbst freßen, denn die Bestien haben immer guten Appetit. – Indeßen ist Hülfe noch möglich, nur müßt Ihr mir Wunderschönchen zur Frau geben, denn so ein Persönchen such ich nun schon seit hundert Jahren zu Lande und zur See.“

Sie erschrack, als sie den Zwerg jetzt näher betrachtete, vor deßen Häßlichkeit, und noch mehr von dem immer lauter werdenden Brüllen der Löwen. In der Angst schwieg sie ganz.