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30. Das Zauberpferd.

In der uralten Heidenzeit wurde in Persien das Fest des Neujahrs mit großem Gelärm, mit Schauspielen, Tänzen und Gaucklerkünsten, mit Klang und Sang, mit Saus und Braus und Schmaus wohl vierzehn Tage hintereinander gefeiert, und vierzehn Tage gingen noch nachher darauf, sich von den Freudenfesten zu erholen.

Dieses Fest zog viele Ausländer an den Königshof nach Schiras, der alten Hauptstadt Persiens. Es kamen Prinzen, Fürsten und Herren, es kamen Gelehrte, Künstler aller Art und auch solche, die aus der Tasche in die Tasche spielten; natürlich fanden sich auch Lummerer, Müßiggänger und Pflastertreter, welchen das Jahr zu viel Tage hatte, mit welchen sie nichts anzufangen wußten, und Lungerer, die hier oder da einen guten Bißen wohlfeil zu erschnappen suchten, von allen Arten. Mit einem Worte, es kamen viel artige, feine, weltgewandte Leute, die Pracht und Herrlichkeit des Festes mit anzuschauen.

An einem der Tage dieses Festes trat vor den Thron des Königs ein Indier mit einem Pferde aus Holz, welches prächtig aufgezäumet und gesattelt und so kunstvoll gearbeitet war, daß man es kaum von dem schönsten persischen Pferde unterscheiden konnte.

Der Indier rühmte dem König sein Holzpferd als das größeste Wunder der Welt an, dieser aber antwortete ihm: „Dein Pferd ist allerdings höchst künstlich gearbeitet, allein es gibt schon noch Künstler in meinem Lande, die ein ähnliches hervorzubringen im Stande sein würden, oder das Deinige wohl gar noch überträfen.“