Seite:Loehr Buch der Maehrchen 2.pdf/402

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

der Hülfe oder der Rache – und sie erzählte ihm Alles. Das war das rechte Mittel ihrer Quaal eine Linderung zu schaffen. Das Herz fühlt sich immer erleichtert, wenn es mitleidigen Seelen seine Noth erzählen darf, und jedes Stück der Erzählung nimmt ein kleines Stück des Jammers mit fort.

Sie hatte ihm Alles eröffnet. Darauf sagte er: „Ihr müßt Euren Gemahl an diesen Buben rächen. Ziehet an den Hof des Königs; ich bin überzeugt, Ihr findet Gehör und Gerechtigkeit, und, wenn Ihr es wünscht, so begleite ich Euch als Euer Stallmeister und auch als eine Art Zeuge.“

Sie zogen fort und herbergten in der ersten Karavanserei der Königsstadt. Man fragte den Wirth, wie es bei Hofe zugehe? „Da geht es jämmerlich und erbärmlich zu, antwortete dieser. Der König hat einen Sohn gehabt, der längere Zeit unbekannt an seinem Hofe lebte und unbekannt der Oberhofmeister der andern Prinzen war. Die Mutter deßelben, die lange Zeit bei einem ihrer Verwandten gelebt hat, ist jetzt bei ihrem Gemahl, unserm König. Beide Aeltern haben den Sohn in aller Welt suchen laßen, aber nirgends von ihm nur eine Spur aufgefunden, und Beide sind untröstlich. Es sind zwar noch neun und vierzig Prinzen da, allein das sind hämische Bengel, welchen Niemand gut ist. Gott sei uns gnädig, wenn einmal Einer davon auf den Thron kommt. – Jedoch davon darf man nicht sprechen, denn die Herren am Hofe befehlen schon, was ein Unterthan sprechen und was er nicht sprechen muß. Also! reinen Mund gehalten!“

Nach diesem Berichte des Wirthes sahe der Wundarzt wohl, wie verschwiegen man sein müße, damit die Herren Prinzen nichts erführen, welchen es nach dem Brudermord um ein Paar Mordthaten mehr wohl eben nicht ankommen mochte.