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Da erzählte die schöne Gänsemagd, daß sie Thränenblüthe heiße, und wäre der bösen Fee Gangrüne entlaufen, die sie immer gequält und gepeitscht hätte ohne Schuld, und nun wäre sie hier ein Gänsemädchen geworden und wolle das lieber bleiben ihr Lebelang, als den garstigen bösen Prinzen heirathen, oder sich lieber heut Abend in den finstern Thurm einsperren laßen und darin bis zum Tode bleiben, wie der Prinz ihr gedroht habe, wo sie ihn nicht heute noch nähme.

„Ich weiß nun Alles, sagte die Hirtin; laß dich nur einsperren; ich helfe dir schon.“

Thränenblüthe wurde eingesperrt; aber in derselben Nacht verwandelte sich die Fee in eine Maus, und biß dem König, jetzt in das eine und jetzt in das andere Ohr, daß das Blut häufig darnach floß. Hiernach rannte sie behend zu dem Bette des Prinzen, und macht es ihm eben so und zerkratzte ihm auch noch das Gesicht. Und als der König wieder ein bißchen eingeschlafen war, biß sie ihm in die Nasenspitze, daß er vor Schmerz brüllte und die Zunge heraussteckte; da biß sie ihm die Zungenspitze ab, daß er wüthend wurde und die Maus überall suchen ließ und selbst mit bloßem Degen suchen half. Die kleine Maus hatte indeßen aber schon wieder dem Unhold das eine Auge fast ausgebißen, das er noch hatte. Da wurde der auch wüthend, nahm seinen Degen, rasete, so arg er noch konnte, im Schloße umher und hieb links und rechts um sich. Da schimpfte der Vater auf ihn und schlug ihn mit dem Degen. Das wollte er aber nicht leiden und hieb und stach nach dem Vater, und der Vater hieb und stach nach dem Sohne. Da rannten sie sich beide den Degen durch den Leib, und blieben beide auf der Stelle todt. Thränenblüthe wurde von dem Volke aus dem Kerker erlöst, und zur Königin ausgerufen, weil sie so schön war und so viel erlitten