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Du bist eine Prinzeßin und Deine Mutter ist eine Königin. Die hatte schon sechs schöne Töchter geboren, aber der König war wunderlich und sehr schlimm und vermaß sich hoch und sehr, wenn die Königin wieder in die Wochen käme und brächte ihm keinen Prinzen, so wolle er sie erstechen, und da die Königin eben wieder schwanger war, so ließ er sie sogleich in einen festen Thurm stecken und gab ihr Wächter und befahl denselben im grimmigen Zorn, die Königin und ihr Kind gleich umzubringen, wenn sie eine Prinzeßin brächte.“

Die unglückliche Königin ängstete sich fast halb todt, ehe sie noch niederkam, und als sie nun niederkam, da hatte sie eine Prinzeßin, und das warst Du. Sie entfloh mit Dir aus dem Thurm, denn sie hatte sich schon lange vorher eine Strickleiter gemacht. Sie lief so weit als sie nur Kraft hatte, und kam zu uns in dieses kleine Häuschen, wo sie nicht weiter konnte. Sie erzählte uns ihr grausames Unglück, und bat mich ihr Kind groß zu säugen, nämlich Dich. Ich aber war damals Martins Frau, und that das gern und bin also Deine Amme. Deine Mutter starb wenige Tage nachher, denn sie hatte gar zu viel ausgestanden; wir aber, Martin und ich, behielten Dich bei uns, und hatten Dich so lieb, als ob Du unsere leibliche Tochter wärst.“

Da ich nun immer gern schwatzte und plauderte, so erzählte ich auch einmal diese ganze Geschichte einer schönen Frau, die prächtig gekleidet war, und wohl etwas Großes sein mochte. Diese aber berührte mich mit einer kleinen Gerte und da wurde ich auf einmal zur Henne. „Nun, sagte sie, plaudere und schwatze so viel du willst!“ „Das hab ich denn auch ordentlich gethan und unaufhörlich gekrikelkrakelt und gegackert.“