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niedersetzte, und, wedelnden Schwanzes, ein Stücklein Brodt von ihren schönen Händen schmeichelnd erharrte.

„Was bin ich denn nun eigentlich? fragte sie sich selbst. Schäferin oder Prinzeßin?“ – Sie wußte sich die Frage nicht zu beantworten. Hirtin zu sein, war so süß; Prinzeßin zu sein, war so hoch und erhaben. Prinzeßin aber und Hirtin zugleich, war Alles in Allem und in Einem.

Sie wußte nicht einig mit sich zu werden und schlummerte unter dem Schatten eines schönen Baumes in ihren zweifelnden Gedanken ein.

Ziemlich ähnlich war es dem Prinzen gegangen. Er fühlte, daß eine völlige Umwandlung mit ihm vorgegangen war, und er sahe dieselbe mit eigenen Augen, als er an einen klaren, von hohen Erlen umschatteten Teich kam und im Waßer des Teiches seine Gestalt erblickte. Er fand, daß er bis auf die kleinsten Züge dem Schäfer glich, welchen er auf den Fensterscheiben gesehen hatte, bis auf die Kleidung sogar. Selbst eine Heerde Schafe fand sich auch bei ihm ein, so, als ob sie nie einen andern Herrn gehabt hätte, und der treue Hund mit freundlich wedelndem Schwanze fehlte der Heerde auch nicht. Sogar für eine Hütte hatte der Zauber gesorgt, die Alles enthielt, was ein Schäfer zu seinem Glücke verlangen kann. Sie lag am Ende des Waldes in einem blumenreichen, von schönem Silberbach durchschlängelten Thale. An beiden Ufern des Baches standen die Hütten friedlicher Hirten unter Fruchtbäumen.

Bald war der Prinz mit den gutmüthigen Hirten des Thales bekannt, und hatte mit ihnen schon eine Zeitlang gelebt; aber wie schön auch Alles war, dennoch fand er sich sehr einsam und allein.

Als er eine Zeitlang im einförmigen Hirtenleben zugebracht hatte, kommt er durch Zufall an den Ort, wo die schöne Schäferin