Seite:Literarisches Conversations-Blatt 1824 Kunstausstellung Dresden 2.djvu/5

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Ueber die diesjährige Kunst-Ausstellung in Dresden.
Zweiter Besuch.
(Vergl. Nr. 246.)

Der Vater. Heute soll mich Niemand aus diesen ersten drei Abtheilungen bringen. Hier ist Alles so voll und bunt und reich, daß man seine wahre Freude daran hat.

Fedor. Gut, daß wir nicht früher wiederkehrten; jetzt sind die beiden Landschaften unserer vielversprechenden jungen Künstler aus Rom eben angekommen und geben reichen Stoff zu Betrachtungen! Gestehe es, liebe Rosa, in dieser Klarheit, in dieser blauen Luft und Ferne ist auch Poesie, und eine reinere, echtere, als in den Duft- und Nebelbildern, die Du so sehr liebst! Sieh diese Landschaft des jungen Oehme, sie ist so wahr, daß ich mich ganz wieder in die Gegend bei Camaldoli versetzt fühle; ich erkenne diese hohe Baumgruppe, jene üppigen Aloestauden. Ich möchte die ehrwürdigen Väter selbst, die unter diesem Schatten wandeln, als alte Bekannte begrüßen.

Rosa. Gern glaube ich an die reine Bläue des Südens, in deren Klarheit man Alles so bestimmt erblickt; gestatte mir nur auch, die sanftverhüllenden Nebelschleier des Nordens reizend und malerisch zu finden! Es ist eine Bemerkung, die sich mir hier aufdrängt, daß selbst ein ungeübtes Auge alle die im Süden erschaffnen Werke, mit denen diese Ausstellung geschmückt ist, leicht erkennen kann an der großen Bestimmtheit der Umrisse und dem Ernst des Colorits.

Edwin. Welche frische Bergluft weht Einem entgegen aus dieser andern Landschaft, die der junge Richter bei Salzburg nach der Natur zeichnete und in Rom als Oelgemälde ausführte! Ganz vortrefflich ist der Wassersturz, der zwischen den waldbewachsnen Felsen herunterbraust; wie schön ist das Licht auf diese schäumenden Wellen concentrirt, so daß selbst der Reflex davon die ferne kleine einsame Waldcapelle noch beleuchtet; welche Ausführung ist in diesen Felsenmassen, und wie überaus klar spült und rieselt die Flut darüber hin; selbst Ruysdael malte dies nie schöner!

Rosa. In stiller Klarheit leuchten oben die schneebedeckten Firnen, und einladend erscheint die kleine Mühle, mit ihrem mit Steinen beschwerten Dach, mitten in dieser wilden erhabnen Natur, die doch wieder so reich an Reizen ist; die blumigen Wiesen, das mannichfaltige Waldesgrün, Alles ist so frisch, lebendig und klar, daß man sich hinsehnt in die herrliche Alpengegend!

Fedor. Ich finde es höchst interessant, diese Landschaft des talentvollen Jünglings mit jener großen italienischen Landschaft von Rohden zu vergleichen, welche zu der bedeutenden Anzahl von Kunstwerken gehört, mit denen die Liberalität des trefflichen Kunstfreundes Herrn von Quandt diese Ausstellung schmückte. Hier ist der Reichthum des Südens dargestellt in allen Arten südlicher Vegetation, es ist dieselbe Bestimmtheit und Ausführung darin; so wie in der Natur selbst ist der kleinste Halm, die zarteste Blüthe eben so vollendet wie das Größte und Bedeutendste. Es liegt etwas rührend Schönes und Wahres in solcher Ausführung, was durchaus nicht zu tadeln ist, wenn, so wie hier, der harmonische Eindruck des Ganzen nicht darunter leidet. Wie schön contrastirt nun aber die brennende Hitze, die hier Alles durchdringt, mit jener kühlen Waldesfrische!

Rosa. Wir können es nicht dankbar genug erkennen, daß wir so durch die Güte des Besitzers manchen Künstler kennen lernen, der nie etwas hieher schicken würde. Der stille ernste Farbenton und edlere Styl dieser Werke läßt sie schnell erkennen. Mich zieht vor allen die herrliche Judith an, von Philipp Veit. Wie edel und rührend sind diese Züge; stille Trauer mischt sich mit erhabner Festigkeit im Ausdruck dieser Hebräerin; das Helldunkel, worin das ganze Gemälde steht, ist magisch schön: die Alte, in deren gemeinem Natur sich nur die Freude über das Gelingen ausdrückt, und das bleiche großartige Heldenhaupt bilden einen überaus schönen Contrast mit der holden Jungfrau, deren Tracht selbst etwas Grandioses, echt Orientalisches hat. – Auch die beiden weiblichen Köpfe von Eggers haben einen eignen Reiz für mich. Wie wohlthuend ist der schöne Ernst dieser Kunstwerke gegen das gefallsüchtige Lächeln der meisten modernen Portraits daneben!

Die Tante. Die Dame da oben, mit dem geschmackvollen Hütchen, wo die weißen Federn sich so

Empfohlene Zitierweise:
Unbekannt: Ueber die diesjährige Kunstausstellung in Dresden. Brockhaus, Leipzig 1824, Seite 1009. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Literarisches_Conversations-Blatt_1824_Kunstausstellung_Dresden_2.djvu/5&oldid=- (Version vom 7.12.2024)