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Georg Christoph Lichtenberg: I. Allerlei Gedanken: Die Natur. In: Ausgewählte Schriften, S. 3–11

Wenn man einmal Nachrichten von Patienten gäbe, denen gewisse Bäder und Gesundheitsbrunnen nicht geholfen haben, und zwar mit eben der Sorgfalt, womit man das Gegenteil thut, es würde niemand mehr hingehen, wenigstens kein Kranker.

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Neue Bäder heilen gut.

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(1793.) Warum hat Deutschland noch kein großes öffentliches Seebad? – Was außer der Heilkraft den Seebädern einen so großen Vorzug vor den inländischen gibt, ist der unbeschreibliche Reiz, den ein Aufenthalt am Gestade des Weltmeers in den Sommermonaten, zumal für den Mittelländer, hat. Der Anblick der Meereswogen, ihr Leuchten und das Rollen ihres Donners, der sich auch in den Sommermonaten zuweilen hören läßt, gegen welchen der hochgepriesene Rheinfall wohl bloßer Waschbeckentumult ist; die großen Phänomene der Ebbe und Flut, deren Beobachtung immer beschäftigt ohne zu ermüden; die Betrachtung, daß die Welle, die jetzt hier meinen Fuß benetzt, ununterbrochen mit der zusammenhängt, die Otaheite und China bespült, und die große Heerstraße um die Welt ausmachen hilft; und der Gedanke, dieses sind die Gewässer, denen unsre bewohnte Erdkruste ihre Form zu danken hat, nunmehr von der Vorsehung in diese Grenzen zurückgerufen, – alles dieses, sage ich, wirkt auf den gefühlvollen Menschen mit einer Macht, mit der sich nichts in der Natur vergleichen läßt, als etwa der Anblick des gestirnten Himmels in einer heitern Winternacht. Man muß kommen und sehen und hören. Ein Spaziergang am Ufer des Meeres, an einem heitern Sommermorgen, wo die reinste Luft, die uns selbst das Eudiometer noch auf der Oberfläche unsres Wohnorts kennen gelehrt hat, Eßlust und Stärkung zuträgt, macht daher einen sehr großen Kontrast mit einem in den dumpfigen Alleen der inländischen Kurplätze.

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Das Erdbad sowohl, als das Wort dazu, ist eine Erfindung des berühmten Doktor Graham, des Erfinders des „himmlischen Bettes“. So kostbar sein himmlisches Bett war, so wohlfeil ist sein Erdbad. Man läßt ein Loch in die Erde graben, so tief, daß man darin bis an den Hals stehen kann; und stellt sich nackend hinein, läßt alsdann wieder Erde hinzuwerfen und etwas fest anstampfen bis an den Hals. Es darf nichts frei bleiben als der

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Georg Christoph Lichtenberg: I. Allerlei Gedanken: Die Natur. In: Ausgewählte Schriften, S. 3–11. Cotta, Stuttgart 1893, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lichtenberg_Die_Natur.pdf/8&oldid=- (Version vom 29.8.2023)