Seite:Lewicky Die Ukraine 1915.pdf/30

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Thron. Auch in späterer Zeit standen die Ukraine und ihre Kosakenhetmane in militärischen und internationalen Beziehungen zu europäischen Staaten. Kaiser Rudolf, ferner die schwedischen Könige Gustav Adolf und Karl XII. fanden zu wiederholten Malen Unterstützung in der Ukraine, und Karl XII. kämpfte zusammen mit dem ukrainischen Hetman Iwan Mazeppa auf dem Schlachtfelde bei Poltawa gegen die russische Übermacht. Noch mächtiger als in politischer Beziehung wirkte aber der europäische Westen auf das national-kulturelle Leben des ukrainischen Volkes. Bereits im 16. Jahrhundert gingen zahlreiche junge ukrainische Gelehrte nach Westeuropa, um hier, an den berühmtesten Universitäten, zu studieren und die westeuropäische Kultur und Wissenschaft von da in ihr Heimatland zu verpflanzen. Dank dieser Annäherung an den europäischen Westen entstanden auch im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts zahlreiche ukrainische Schulen in der Ukraine – wie z. B. in Luzk, Lemberg, Ostrog und Brest, ja sogar eine ukrainische Hochschule, die sogenannte Mohylansche Akademie, die sich den europäischen Universitäten jener Zeit würdig anschloß. Erst die brutalen Gewaltakte russischer Herrscher haben dieser nationalen kulturellen Arbeit der Ukrainer ein jähes Ende bereitet. Auch im 19. Jahrhundert, trotz äußerst ungünstigen Verhältnissen, hat das ukrainische Volk in Rußland in der mächtigen „Schtunda-Bewegung“ seinen Anschluß auf religiösem Gebiete an den europäischen Westen und zugleich seine Abneigung gegen das russifizierende „Prawoslavie“ des heiligen Synods in Petersburg bekundet, und es hat die russische Regierung große Mühe gekostet, dieser, für das Moskowitertum gefährlichen, Bewegung Herr zu werden.

Die Ukrainer unterscheiden sich eben von den Moskowitern unter anderem dadurch, daß sie sich stets und auf allen Gebieten dem Westeuropäertum zu nähern trachten, während

Empfohlene Zitierweise:
Eugen Lewicky: Die Ukraine der Lebensnerv Rußlands (= Ernst Jäckh (Hg.): Der Deutsche Krieg, 33). Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart u. Berlin 1915, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lewicky_Die_Ukraine_1915.pdf/30&oldid=- (Version vom 24.2.2022)