Seite:Lewicky Die Ukraine 1915.pdf/16

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

terrorisiert, frei aufatmen und ihre internationalen Verhältnisse auf der nationalen Grundlage in einer ernste Verwicklungen ausschließenden Weise in Ordnung bringen.

Allein an der Durchkreuzung russischer Balkanpläne ist Deutschland nicht weniger interessiert als sein Verbündeter Österreich-Ungarn. Bei der bestehenden Kräfteverteilung auf dem europäischen Kontinent, welche Verteilung sowohl in der geographischen Lage als auch in der nationalen Zusammensetzung der hier in Betracht kommenden Mächte begründet erscheint, bedeutet die Verwirklichung der russischen Balkanpläne eine dauernde und unabwendbare Schwächung der Donaumonarchie und müßte in weiterer Folge auch die Schwächung Deutschlands als politischen Machtfaktors nach sich ziehen. Allein Deutschland ist an der gründlichen Lösung der westeuropäischen Frage nicht nur mittelbar – mit Rücksicht auf seinen Verbündeten –, sondern auch unmittelbar mit Rücksicht auf die bereits erzielten eigenen Erfolge in Asien interessiert. Deutschland hat seit der Reise Kaiser Wilhelms nach Konstantinopel, Jerusalem und Damaskus im Jahre 1898 im türkischen Orient sich betätigt: diese neue Richtung in der Weltpolitik Deutschlands steht im unmittelbaren Zusammenhange mit jenem Aufschwung der einheimischen Industrie, den diese seit ungefähr 1902 genommen hat. Das Wachstum eigener wirtschaftlicher Kräfte hat Deutschland in den zwei letzten Dezennien in die große wirtschaftliche Weltpolitik eingeführt, welche die Notwendigkeit der Erwerbung immer neuer ausländischer Absatzgebiete nach sich zieht. Die im türkischen Osten durch Deutschland erzielten Errungenschaften haben nun zwischen den beiden mitinteressierten Staaten, England und Rußland, eine ganz neue Lage geschaffen, welche zur Annäherung und zur Entrevue zwischen Eduard VII. und Nikolaus II. auf der Reede zu Reval im Jahre 1908 führte,

Empfohlene Zitierweise:
Eugen Lewicky: Die Ukraine der Lebensnerv Rußlands (= Ernst Jäckh (Hg.): Der Deutsche Krieg, 33). Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart u. Berlin 1915, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lewicky_Die_Ukraine_1915.pdf/16&oldid=- (Version vom 24.2.2022)