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Verteidigung diesen Kasuisten das blanke Ehrenschild seiner reinen Absicht und seiner rührenden Herzensgüte entgegenhielt, das wird ihm zum unauslöschlichen Ruhmestitel gereichen, wenn längst der letzte leipziger Orthodoxenschädel im Grabe vermodert sein wird.

So schließt die Schrift Oskar Panizzas.

Christus aber dient auch weiterhin einem ungeheuren Verein als Firmenschild, Plakat und Reklamezeichen – und was wird nicht alles unter dieser Marke verkauft! Christentum? Vielleicht; trotz Jesus. Die Wahrheit? die von Trieben ungerührte Erkenntnis? Pilatus hat hierzu das Schlußwort gesprochen, und wer heute etwas will, das er deshalb für das Gute hält, weil seine Anlagen ihm nicht gestatten, etwas andres zu wollen, der nehme sich seine Lehren nicht aus dem Neuen Testament, aber ihren Schöpfer als Vorbild an Mut und Reinheit des Charakters.

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Die Schriften Oskar Panizzas können nicht wiederaufgelegt, die unveröffentlichten nicht herausgegeben werden, weil die Familie sich dem widersetzt, brave Bürgersleute in Hamburg.

Ein Mann, weit stärker als Wedekind, ist mundtot gemacht.

Das sind die Folgen eines wahnwitzigen Urheberrechts, das die Produkte des Geistes wie einen Käseladen vererbt.



Von den Kränzen, der Abtreibung und dem Sakrament der Ehe

Der Papst hat eine Encyklika über die Ehe erlassen, die nur den verwundern kann, der mit katholischen Gedankengängen nicht vertraut ist; nichts in diesem gezähmten Ausbruch ist neu oder überraschend – er deckt sich haarscharf mit dem Dogma der Kirche und ist nichts als ein Plakat der Waren, die dort geführt werden.

Empfohlene Zitierweise:
Kurt Tucholsky: Lerne lachen ohne zu weinen. Ernst Rowohlt, Berlin 1932, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lerne_lachen_ohne_zu_weinen_236.jpg&oldid=- (Version vom 31.3.2018)