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Grauen Kloster und noch einigen wenigen werden es wahrscheinlich nicht eben viele Anstalten in Deutschland sein, die ihre Abiturienten als Leser des Lateinischen entlassen.

Nur eines möchte ich nicht mitansehn. Wenn sich der Verfasser des Werkchens, in Toga und Zylinder, zum Hades begibt, hinc longule est, es ist ein hübsches Stückchen Weg, und dort mit den alten, ehrwürdigen Original-Lateinern ins Gespräch kommt: was wird dann anheben? Lateinisch war eine südliche Sprache, bewegt und beweglich, mit sicherlich merkwürdigen Konsonantenbildungen, und weil heute keiner mehr weiß, wie sie ausgesprochen wurde, spricht sie jede Nation anders aus, bis zum englischen „Weneih–Weideih–Weissei“ – veni, vidi, vici … Der Verfasser, Dr. Capellanus, also hin zu dem ersten besten toten Römer, den Hut abgenommen und nach dem Weg gefragt. Die Seele blickt entgeistert. Er, nochmals lauter: „Salvete pariter omnes!“ Guten Abend, alle zusammen! Nichts. Die Römer haben die Togen fester gefaßt und sehen den Eindringling stumm an. Und schließlich hebt einer von ihnen – es ist der Barbier des Pompejus, ein fetter, beweglicher Mann mit flinken schwarzen Äuglein und klassischem, imperialem Bauch – die ringgeschmückte Rechte und gibt der Meinung des ganzen Haufens gemessen Ausdruck. Er sagt: „Loquerisne lingua latina? Ja, Mensch, sprichst du denn kein Latein –?“


Zeitungsdeutsch und Briefstil

Es ist schon einmal besser gewesen: vor dem Kriege. Das heißt nicht etwa, die gute, alte Zeit heraufbeschwören – man blättere nach, und man wird von damals zu heute einen bösen

Empfohlene Zitierweise:
Kurt Tucholsky: Lerne lachen ohne zu weinen. Ernst Rowohlt, Berlin 1932, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lerne_lachen_ohne_zu_weinen_199.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)