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das imponiert dem Autor so, daß er glaubt, solch ein Zeug genüge, uns einen Begriff von der Welt zu geben, die er schildern sollte, aber nicht schildern kann.

Es gibt freilich Ansätze, Versuche … Erstens: „Die weiße Rose“ von B. Traven. Dann ist einmal vor Jahren im Verlag Eugen Diederichs ein anonymes Werk „Der Fenriswolf“ erschienen; da hats jemand probiert. Der mir unbekannte Autor gab Schriftstücke, Telegramme, Zeitungsaufsätze, um auf diese Art ein großes Geschäft in den nordischen Staaten, seine Entwicklungsgeschichte und seinen Aufbau zu erklären. Aber es war noch nicht das Richtige. Denn geschäftliche Schriftstücke sind Ergebnisse von geistigen Vorgängen, nicht das unmittelbare Zeugnis der Vorgänge selbst. Da fehlen die Überlegungen, die gescheiterten Pläne, die Intriguen, das Hin und Her in den Gruppen, die nur nach außen geschlossen auftreten, es fehlt der Dreh – das Buch war eine halbe Sache. Die „Weiße Rose“ ist eine ganze. Auch in den Buddenbrooks, die ja auf etwas andres hinzielen, ist das Geschäftliche nur ein Hintergrund. Herr Thomas Buddenbrook hat leichtsinnigerweise eine Ernte auf dem Halm gekauft, und die ist verhagelt … „Du lieber Gott!“ würde Christian sagen, und er hätte nicht einmal so unrecht. Wir wollen mehr wissen, die Einzelheiten, alles.

Von den Unterhaltungsromanfritzen erfahren wir es nicht. Ihr Generaldirektor ist immer noch der große Mann, und kein Wort davon, wie der nun wieder in seiner Gruppe eingeschachtelt ist, wie er geschoben wird, wo ihn der Autor kaum schieben läßt, und wie die Ressorts sich durchkreuzen; kein Wort über die höchst zweifelhafte Rolle, die der Staat bei alledem spielt … kein Wort. Die meisten Kaufleute sind außerhalb ihres Shops und auch oft innerhalb ihres Ladens große Esel und viel kindlicher, als man glauben sollte. Aber so

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Kurt Tucholsky: Lerne lachen ohne zu weinen. Ernst Rowohlt, Berlin 1932, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lerne_lachen_ohne_zu_weinen_177.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)