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dort unten roch nicht gut. Es spielten sehr gewichtige Interessen der Großindustrie mit, von denen die Freikorps, die mit unerhörter Brutalität eingriffen, nicht viel ahnten – in dem einzig lichten Augenblick seines Buches nennt Bronnen die Anfänge der Schwarzen Reichswehr rechtens ein „Gemisch aus Arbeitslosigkeit und Patriotismus“. Der Erfolg dieses Bandenkrieges ist negativ gewesen – die endgültige Festsetzung der Grenzlinie ist kaum durch ihn beeinflußt worden. Wesentlich ist dann doch die Abstimmung gewesen. Von beiden Seiten wurden damals große Fonds in den korrumpierten Volkskörper hineingepumpt wie später in die Ruhr – ich selbst habe die Hände in diesem Bottich gehabt, ich hätte es nicht tun dürfen, und ich bereue, was ich getan habe. Auf beiden Seiten ist gemordet und spioniert worden, verraten und gekauft und verkauft; bestialische Untaten sind verübt worden und ungesühnt geblieben … und schließlich hat es alles nichts genutzt.

Davon erzählt Bronnen. Kein Zweifel, daß es nicht nur das Recht, sondern beinah die Pflicht des Dichters ist, ein Zeitdichter zu sein – und hier ist sorgfältig zu untersuchen: wird ästhetisch berichtet, gleichmütig, unpolitisch, oder steht der Erzähler auf einer Seite der Linie? Bronnen steht auf einer Seite: nicht auf der polnischen. Auf der deutschen? Nein, er steht nicht auf der deutschen – er steht auf der Seite der Freikorps, und diese Freikorps verfochten zum großen Teil nur ihre Sache, nicht die der Deutschen, von denen sie nicht beauftragt waren, die sie nicht gefragt hatten … aus Bayern zogen sie nach Oberschlesien, Landsknechte, die überall waren, wo es etwas zu prügeln gab. Hier gab es Krieg, Divisionsstab, Mord, Geld, Krach, ein freies Leben führen wir …!

Das kann man bejahen.

Ich spiele dieses Spiel nicht mit, das darin besteht, jedem Schriftsteller der Gegenseite die Begabung abzusprechen. Unsereiner

Empfohlene Zitierweise:
Kurt Tucholsky: Lerne lachen ohne zu weinen. Ernst Rowohlt, Berlin 1932, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lerne_lachen_ohne_zu_weinen_058.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)