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würdige französische Krankenschwestern und brach­ten uns in einen Krankensaal, in dem für jeden von uns ein Bett war. Wir legten uns, wie es verlangt wurde, am hellen Tage hinein; denn wir waren ja krank, obwohl die meisten wie ich mit einem kleinen Schaden am Fuss sonst frisch und gesund waren. Es dauerte nicht lange, da kam ein deutscher junger Militärarzt in den Saal, sah uns da liegen, verwunderte sich und sagte: ‚ja, was machen Sie denn hier? das ist ja der Raum für ansteckende Krankheiten‘. Da hatten uns die biedern Schwestern hineingelegt! Es hören und aus den Betten springen war eins. Wir zogen uns wieder an und auf den Rat des Arztes aus dem Hôtel de Dieu hinaus. Er riet uns, mit dem nächsten Zuge nach Orleans zu fahren, wo häufig Züge nach Deutschland abgingen. Es gelang trefflich. Denn auf dem Bahnhof von Orleans sah ich gleich beim Aussteigen den mir bekannten Bruder von Heinrich Lohmann in vollem Staat als Etappenofficier herumgehn; dieser in Beförderungsangelegenheiten dort allmächtige Mann brachte uns ohne weiteres auf einen Zug, der in ein paar Stunden über Frankfurt nach Hannover gehn sollte; und so hatten wir auf einmal Flügel bekommen.

Das Bild ist freilich etwas kühn; denn wenn die Hinreise sechs Tage gedauert hatte, so dauerte die Rückreise sieben Tage. Dafür sassen wir nicht einge­pfercht in Waggons dritter Klasse, sondern als Zuletztgekommene in einem bequemen Viehwagen, den wir ganz für uns hatten; in dem waren freilich keine Bänke, aber Kisten genug zum Sitzen und Platz

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Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_78.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)