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stürzten hinunter und hielten das Blatt in der Hand, das uns nicht nur die Eroberung von Paris, sondern auch den Waffenstillstand und damit nach aller Voraussicht den Frieden verbürgte.

Die Sehnsucht nach dem Frieden war allgemein, bei Franzosen und Deutschen. Das Volk war dem Aufruf zur Massenerhebung, den die republikanische Regierung mit Gambetta an der Spitze erlassen hatte, mit gewaltigem Schwunge gefolgt und hatte grosse Armeen ins Feld gestellt. Auf unserm Marsch zum Regiment fanden wir überall die Phantasie der Leute erfüllt davon, dass uns Millionen neuer Soldaten entgegentreten würden. Allen stand es fest, dass keiner von uns lebendig aus dem Lande käme; das sagten uns die Frauen zuweilen mit herzlich gefühltem Mitleid. Auch hier gab es einen stets wiederholten Refrain: grand malheur, grand malheur pour nous et pour vous. Aber nach Le Mans war es allen klar geworden, dass diese rasch zusammengerafften Rekrutenschaaren den Aufgaben eines solchen Krieges nicht gewachsen waren. In der Bevölkerung war die Hoffnung verschwunden und an die Stelle aller anderen Empfindungen trat das Friedensbedürfniss. Aehnlich erging es uns Soldaten, sobald die Spannung gelöst war; wir hatten genug vom Kriege und unsere Seelen strebten in die Heimat. Mit Ingrimm dachten wir an die Möglichkeit, dass der Krieg durch die Unvernunft der französischen Kriegspartei wieder ausbrechen könnte, und wir waren nun meist mit unsern Quartierwirten gleicher Meinung über diesen Punkt.

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Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_70.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)