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der Vorstadt brannten Häuser, Türen und Fenster sah man zertrümmert. Vom Tore an durch die ganze Länge der Hauptstrasse, bis auf den Markt, stand eine ungeheure Colonne eroberter Proviantwagen. Das war die erste Frucht des Sieges. Auf dem Markt machten wir Halt und jeder bekam, direct vom Proviantwagen herunter, ein Laib Brot, ein kaum zu fassendes Glück nachdem wir so lange die köstliche Frucht der Demeter entbehrt hatten. Das zweite war, dass wir Quartiere bekamen und wenigstens zu zweien in einem Bett schlafen konnten. Ich war mit zwanzig Mann zusammen im Quartier, und es war doch ein himmlischer Zustand. Die nächsten beiden Tage, der 13. und 14., waren Ruhetage, wir hatten zu essen und zu trinken, ich schrieb einen langen Brief nach Hause fertig, den ich am 1. Januar in Blois angefangen hatte. „Hier befinden wir uns sehr wohl“ schrieb ich „und werden hoffentlich noch einige Zeit in ungestörter Ruhe bleiben“. Ach ja, am Abend des 14. kam der Befehl: „morgen früh 5 Uhr zum Ausrücken bereit“; und das wurde die schlimmste Arbeit, die Verfolgung des geschlagenen Feindes.

Die bittere Kälte hatte nachgelassen, dafür setzte jetzt ein mit Schnee vermischter Regen ein, durch den die Strassen, da es in den Nächten fror, förmlich mit Glatteis bedeckt wurden. Ihr könnt euch denken, was das für ein Marsch über die beständig auf- und abführenden Chausseen war. Während man den Schnee hatte abschütteln können, war man jetzt fast immer durchnässt und konnte

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Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_62.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)