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wir gingen also auf unsre Stellung zurück, um die lange Nacht abzuwarten.

Die Gewehre wurden wieder zusammengestellt, aber von Schlafen war jetzt natürlich keine Rede mehr. Wir waren nah an das Gehöft herangerückt, das auf der Höhe stand und von dem inzwischen ermittelt worden war, dass es von den Feinden verlassen war. Etwa ein halbes Dutzend Leute, darunter auch ich, gingen die Kellertreppe eines allein liegenden Wirtschaftsgebäudes hinunter; wahrscheinlich war Einer auf den Gedanken gekommen, dass da unten Wein zu finden sein möchte. Oben durfte natürlich von Feueranzünden keine Rede sein, des nahen Feindes wegen. Unten aber machten wir am Boden ein kleines Feuerchen aus Scheiten, die da lagen, und fühlten uns ganz gemächlich dabei. Der Raum war erhellt, es war ein kleines Kellergewölbe, kein Weinkeller, das war leider klar, überhaupt nichts Ess- oder Trinkbares zu sehen, nur landwirtschaftliche Inventarstücke, Holz und Kohlen. Doch, da stand ein Fässchen. Einer hatte sich darauf gesetzt; es war nichts natürlicher als dass er es mit seinem Faschinenmesser anstach so gut er konnte. Es floss aber kein Wein daraus, sondern eine dicke übelriechende Flüssigkeit, die keine weitere Aufmerksamkeit verdiente, wie sie aus dem Spundloch auf den Boden quoll und sich als ein dünnes Bächlein grade auf das Feuer zubewegte. Aber kaum hatten sich Bächlein und Feuerlein berührt, als eine heftige Flamme aufbrannte, nach dem Fässchen zurücklief und im Nu den ganzen Raum mit dickem

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Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_58.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)