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nicht einmal Deckung. Plötzlich krachte es neben mir. Die Kugel hatte die linke Hand des Unterofficiers getroffen, mit der er, nicht geschultert sondern frei am Lauf, das Gewehr trug. Ich sah mit stiller Bewunderung, wie er das Gewehr nicht fallen liess, sondern es in die andre Hand nahm und erst, als der Officier es ihm ernstlich befahl, zurückging um sich die zerschmetterte Hand verbinden zu lassen. Auch ihn sah ich später wieder, als er aus dem Lazaret entlassen war. Er hatte zwei steife Finger und das eiserne Kreuz.

Die Nacht, nachdem der Feind sich zurückgezogen hatte, biwakirten wir bei St. Pierre, übermüde, in bitterkalter Luft, in dem um unsre Feuer her tauenden Schnee. Als wir in Ruhe waren, hörten wir, dass ein Einjähriger, Falkenstein, Badenser, ein schwächlicher Mensch, älter als die meisten von uns, plötzlich einen schweren Anfall von Typhus bekommen hatte. Wir hatten ihn alle gern und waren gewohnt ihm zu helfen wo wir konnten. Am Morgen hörten wir, dass er gestorben war. Sein Körper hatte die Anstrengungen und Entbehrungen nicht ertragen.

Am folgenden Tage marschirten wir, ohne ins Feuer zu kommen, bis Grand Lucé. Mittags hatten wir an der Strasse Halt gemacht, um unsern Reis zu kochen, und hatten auf einem Felde in der Nähe einige Kohlköpfe dazu gefunden. Die Strasse führte über eine Anhöhe und meine Abteilung hatte ihre Feuerstelle neben einem Abhang, der in eine tiefe Einsenkung herunter ging. Mit Entsetzen sah ich

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Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_53.jpg&oldid=- (Version vom 26.12.2019)