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aber die Sache hatte doch eine sehr ernste Seite. Denn es musste aufs sorgsamste auf die Geleise geachtet werden, damit den Zügen nicht durch Franctireurs Schaden zugefügt würde. Darum wurde bei Tage langsam gefahren; bei Nacht aber war es überhaupt verboten zu fahren. So stand unser Zug die langen Winternächte von Dunkelwerden bis Hellwerden auf irgend einem Bahnhof, die Wagen waren verschlossen und wir durften nicht hinaus, derselben Gefahr wegen. Dazu kam, dass wir gleich am zweiten Tage aus den geräumigen deutschen Wagen, die uns über die Grenze gebracht hatten, in französische umgeschifft wurden. Die französischen Wagen 3. Klasse sind aber enger und niedriger als die deutschen; doch mussten auch in jedem dieser Coupés acht Soldaten untergebracht werden. Während wir nun in den deutschen Wagen die Tornister oben in die Fächer gelegt hatten, fanden die in den französischen oben keinen Platz, so dass sie unter die Sitze gelegt werden mussten; davon war die Folge, dass man die Beine nicht ausstrecken konnte und immer in derselben Stellung sitzen musste, Tag und Nacht, das Gewehr neben sich, wenn der Nebenmann es gestattete, sonst zwischen den Beinen. Das war wirklich qualvoll, mehr als ihr euch so denken könnt. Wenn nun der Zug während der Nacht hielt, so war es oft nicht möglich zu schlafen, da man sich zu sehr nach einer Schlafstellung sehnte und immer wach wurde; überdies schnarchten unsere Reisegefährten, wenn sie schliefen, und lärmten wenn sie wachten. Bei

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Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_20.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)