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Stunden in einem Hotel am Bahnhof und warteten dann den Zug ab. Als er eingefahren war, stellte mein Vater sich dem Hauptmann vor und der war so liebenswürdig, ihm das Coupé zweiter Klasse, in dem er mit Leutnant Strack fuhr, anzubieten, damit wir eine Zeitlang ungestört alle zusammen sein könnten. So fuhren wir nun über Bonn hinaus bis Rolandseck zusammen, und meine Eltern dachten sehr ernstlich, dass sie mich vielleicht zum letzten male sähen. Mir lagen solche Gedanken ziemlich fern, und ich glaube der übrigen Jugend auch; aber die guten und traurigen Augen meiner geliebten Mutter habe ich doch die ganzen nächsten Monate so gesehen wie sie auf dieser Fahrt an mir hingen. Das Allermütterlichste gab sie mir auf die Reise mit, nämlich erstens eine herrliche rote wollene Decke, die mir ein treuer Freund geworden ist, und zweitens einen Brotbeutel, der ganz unvorschriftsmässig war. Denn der vorschriftsmässige war etwa einen Fuss breit und anderthalb Fuss lang, aber dieser gewiss zwei Fuss breit und vier Fuss lang; der vorschrifts­mässige enthielt den gelieferten Proviant für einen Tag, dieser mütterliche aber zwei ganze Spickgänse, mehrere Würste, einen kalten Braten, Eier und tausend Dinge, dazu ein paar Graubrote (wie man bei uns in Bonn die Schwarzbrote nennt), von denen eins ausgehöhlt und mit einem Pfund Butter gefüllt war. Wäre ich allein gereist und wäre es eine gewöhnliche Reise gewesen, so hätte ich gar keine Aussicht gehabt, mit diesem Proviant fertig zu werden. Aber erstens dauerte die Reise, wie sich

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Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_18.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)