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einen kriegerischen und darum rauheren Anstrich gehabt hätte; nein, nichts als Griffekloppen und langsamen oder auch zuweilen raschen Schritt auf dem damals geradezu sumpfigen Kasernenhof (es war natürlich der alte am Geismartor, denn die neuen Kasernen gab es noch nicht); nicht einmal Feld­dienst, den wir doch hätten lernen müssen, wurde ordentlich geübt. Das Unangenehme aber war, dass die Offiziere zurückgelassene Offiziere waren, also wahrscheinlich nicht die tüchtigsten, jedenfalls aber verstimmt über die Zurücksetzung; und so be­handelten sie uns schlecht. Mehr oder weniger war das in allen Kompagnien so, aber in meiner, der vierten, war es mehr. Der Kompagnieführer quälte uns greulich. Er liess uns, wenn Appell angesagt war, zwei Stunden lang auf dem Kasernenhof stehn, ehe er selber kam, hatte beim Exerzieren kein gutes Wort, keinen Witz, sah nicht wer sich Mühe gab, wer nicht, sondern lies alle Tage unterschiedslos ganze Abteilungen nachexerzieren, bekam vor jeder Besichtigung furchtbare Angst, unter der alle Untergebenen zu leiden hatten, und wurde von allen Vorgesetzten so schlecht behandelt wie er es verdiente. So lernte ich gleich nach dem Typus des tüchtigen Offiziers den des unfähigen kennen. Ins Feld hat man ihn, so viel ich weiss, überhaupt nicht kommen lassen. Würdig stand ihm ein Feldwebel zur Seite, der ein wahrer Teufel war und dabei neben einem hülflosen Kompagnieführer allmächtig.

Es war der Morgen des 2. September, die Kom­pagnie exerzierte auf dem Kasernenhof bis 10, dann

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Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_11.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)