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 In den Klage-Artikeln des oberen Lahnthals spielt als Motiv des Begehrs der Lennelahnbahn die Armuth der beiden Kreise Wittgenstein und Biedenkopf die Hauptrolle. Der Artikel aus „Laasphe, 21. Juli“[1] beginnt mit den Worten: „Der Kreis Wittgenstein ist bekanntlich einer der ärmsten Kreise der preußischen Monarchie“. Der Artikel „aus dem Kreise Biedenkopf im August“[2] schließt mit den Worten: „Konzessionirt die Regierung jemals eine andere als die von uns gewünschte . . . Linie (die Lennelahnbahn), dann . . . mag sie es verantworten, die Bevölkerung unseres Kreises und des in gleicher Lage befindlichen Kreises Wittgenstein förmlich an den Bettelstab gebracht zu haben“. Und nun wird in beiden Artikeln vom „armseligen Gebirgsboden“ gesprochen, dem der großte Fleiß nur dürftige Erndten abzuringen vermöge, und daß die brauchbaren Arbeiter auswanderten. Weiter wird besonders vom Kreis Wittgenstein erzählt, „daß seine hohe, bis zu 12- und 1800 Fuß über die Meeresfläche sich erhebende Gebirgsgegend ihn mehr zur Vieh- und Holzzucht, als zu einem nur einigermaßen ergiebigen, oft kaum die aus ihm ruhenden Steuern und Ablösungsrenten deckenden Ackerbau befähige“.

Bei solcher Lage erwartet man dann dort, daß eine, die beiden Kreise durchziehende Eisenbahn den früheren Transitverkehr wiederherstellen, vor allem aber industrielle Werke hervorrufen und die beiden Kreise zum Range der benachbarten, mit Industrie gesegneten Kreise emporheben werde.

Indem diesem allerdings höchst wichtigen Stoff eine Besprechung gewidmet werden soll, ist es das erste Erforderniß – und die Bewohner des Kreises Biedenkopf werden dies selbst nicht ungern hören –, dem Kreise Biedenkopf alle und jede Berechtigung zu einer solchen Klage total abzusprechen. Die Bergisch-Märkische Gesellschaft ist nach wie vor gesonnen, die Verbindung der Ruhrsiegbahn mit der Mainweserbahn-Station Marburg auszuführen; nur ist neuerdings die Frage entstanden, ob nicht der Ausgangspunkt Haardt dem Ausgangspunkte Altenhundem vorzuziehen sei. In jedem der beiden Fälle aber führt die Bahn auf ein und dieselbe Weise durch das Lahnthal, so daß der Kreis Biedenkopf die zu seiner Aufrechterhaltung erforderliche Bahn ganz in der bisher von ihm gewünschten Weise erhält.

In ebenso vollständiger Weise muß auch dem zum Kreise Wittgenstein gehörenden Theile des Lahnthals jeder Klagegrund bestritten werden, indem durch den neu in Aussicht genommenen Ausgangspunkt Haardt der obere Theil des Lahnthals sogar noch vollständiger ausgeschlossen

  1. Köln. Ztg. vom 23. Juli. Zweites Blatt.
  2. Volkszeitung vom 31. August.
Empfohlene Zitierweise:
Die Lenne-Lahn-Eisenbahn und die beiden Kreise Wittgenstein und Biedenkopf, Siegen: Vorländer’schen Buchdruckerei, 1871, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lenne-Lahn-Bahn_03.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)