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der bisher deutschen Absatzgebiete seinen Friedensexport zu steigern, hatte folglich nicht eine sondern zwei Wirtschaften, die Friedenswirtschaft und die Kriegswirtschaft zu finanzieren. Aber die Textilgewebe, die nach Südamerika exportiert werden sollen, können nicht auch zur Bekleidung der Armee dienen; der Mann, der in Sheffield Stahlwaren für Ostasien erzeugen soll, kann nicht zugleich Munitionsarbeiter sein; und auf der Drehbank können nicht zugleich Spindeln und Granaten gedreht werden. Verlangt man von den produktiven Kräften des Landses diese doppelte Leistung, dann stellt sich ein Mißverhältnis ein zwischen der Leistungsfähigkeit und dem Leistungsanspruch. Ein solches Mißverhältnis nennt man Kapitalmangel, und dieser findet seinen finanziellen Widerschein in steigenden Zinssätzen. Allmählich beginnt man auch in England einzusehen, daß to rule the seas will have proved a costly glory.

Die Schlußfolgerungen für Rußland und Oesterreich-Ungarn können kurz gezogen werden. Zur Erkenntnis der relevanten Zusammenhänge tragen sie wenig bei.

Wissen wir einmal, daß die Gestaltung der Kriegsfinanzen von der Gestaltung der nationalen Produktivkräfte abhängt, so ist es uns nur eine Bestätigung dieser Erkenntnis, wenn von allen kriegführenden Mächten Rußland in größtem Maße auf ausländische Lieferungen und folglich auf ausländische Anleihen angewiesen ist. Denn groß kann die eigene Leistung nicht sein in einem Lande, dessen

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Julius Landmann: Die Kriegsfinanzen der Großmächte. Buchdruckerei zum Basler Berichtshaus, Basel 1915, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:LandmannKriegsfinanzen.pdf/30&oldid=- (Version vom 7.5.2020)