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so schön und so wertvoll und so nachahmungswert es auch ist, handelt es sich doch immer nur um kleine Fleckchen Erde, deren Erhaltung zwar die Rettung eines hübschen Naturbildes bedeutet, der unendlichen Not des Ganzen gegenüber aber doch niemals von nachhaltiger Wirkung sein kann; auch kommen sie immer nur ganz bestimmten wenigen Tierarten zugute, und ebenso ist in den offiziellen Anregungen der staatlichen Behörde für Naturdenkmalspflege fast ausschließlich von interessanten Felsbildungen oder alten Bäumen die Rede, fast niemals aber von bedrängten Tierarten, was wohl damit zusammenhängen mag, daß die zoologische Gelehrtenwelt unserer Tage sich fast nur mit mikroskopischen Forschungen beschäftigt und darüber die Fühlung mit der Großtierwelt so ziemlich verloren hat. Aber gerade in der Erhaltung des Ganzen, des typischen Landschaftsbildes mit seiner gesamten Fauna und Flora muß unsere Hauptaufgabe liegen, in der Schaffung eines möglichst großen Naturschutzparkes, also einer Art Yellowstone-Park im kleinen. Lange habe ich diesen Gedanken schon mit mir herumgetragen, lange hat sich auch schon der Vorstand des „Kosmos“ mit ihm beschäftigt[1], aber er schien uns doch zu kühn, zu gewagt und vor allem materiell nicht durchführbar, da ja dazu auch ganz beträchtliche Mittel nötig wären. Wir hatten eben die Naturbegeisterung, die Natursehnsucht, die Opferwilligkeit und den idealen Sinn unseres Volkes doch noch unterschätzt. Als ich im November vorigen Jahres gelegentlich eines Vortrags beim Wiener Kaiser-Jubiläum ganz schüchtern den Gedanken anregte, zur dauernden Erinnerung an dieses seltene Ereignis einen Naturschutzpark in den Alpen zu schaffen, war ich selbst erstaunt über den begeisterten Widerhall, den dieser Vorschlag fand, und freudig überrascht, als gleich nach dem Vortrag mir ein junger Zoologe, Herr Seyfert, 1000 Kr. als ersten Grundstock zu diesem Unternehmen zur Verfügung stellte. Das hat uns ermutigt, weitere Vorbereitungen zur Durchführung des Gedankens zu treffen, und heute sind wir so weit, damit an die Öffentlichkeit treten zu können. Zur großzügigen Durchführung der Idee muß unbedingt ein starker, lebensfähiger Verein an die Spitze treten, dem sich dann andere Vereine und die nichtorganisierten Freunde des Naturschutzes anzuschließen hätten. Und welcher Verein wäre wohl besser dazu geeignet, als unser Kosmos, der mit seinen heute 57 000 Mitgliedern eine imponierende Macht der naturfreundlich gesinnten Bevölkerungskreise darstellt! In opferwilligster Weise hat denn auch die Geschäftsstelle des Kosmos sich bereit erklärt, die sämtlichen Organisationsarbeiten mit ihren beträchtlichen Auslagen für Arbeitskräfte, Porti etc. umsonst auszuführen, bis eine eigene Organisation ins Leben getreten ist, die das Begonnene durchführt. Möchten doch die Naturfreunde Deutschlands und Österreichs ihrem Danke für diese Opferfreudigkeit dadurch Ausdruck geben, daß sie auch ihrerseits Mann für Mann sich dem Unternehmen anschließen und ein Scherflein beitragen, das die Durchführung des großen Gedankens ermöglicht. Selbstverständlich will der „Kosmos“ damit keineswegs den schon bestehenden Naturschutzvereinen gegenüber als Mitbewerber auftreten, sondern er möchte bei dieser großen Aktion mit ihnen Hand in Hand gehen, ja er rechnet im Interesse der schönen Sache sogar zuversichtlich auf ihre werktätige Beihilfe. Im übrigen verweise ich auf den in diesem Heft enthaltenen Aufruf.[WS 1] Bereits haben sich namhafte Naturforscher und Führer der Naturschutzbewegung mit unserem Plan einverstanden erklärt, bereits haben einzelne Persönlichkeiten namhafte Beträge gezeichnet, bereits haben staatliche und städtische Behörden ihrer Zustimmung Ausdruck gegeben, sodaß sogar die Hoffnung besteht, das nötige Terrain ganz oder teilweise umsonst oder durch billige Erbpacht zu erwerben, sodaß die gesammelten und zu sammelnden Gelder fast ungeschmälert dem eigentlichen Zwecke zugute kommen können. Gelingt die Durchführung, so wird der „Kosmos“ sich damit eine Schöpfung gesichert haben, die ein Ruhmesblatt für die Zukunft bedeutet, wenn er auch, sobald die Garantie für eine gesicherte Weiterentwicklung vorhanden ist, zurücktreten und die Weiterführung einer für den Park geplanten eigenen Organisation[WS 2] überlassen will. In dem Park, der so groß als möglich gedacht ist sollen nicht nur Tiere und Pflanzen in ihrem gegenwärtigen Zustande erhalten bleiben, sondern es soll auch der Versuch gemacht werden, früher bei uns heimische, aber bereits ausgerottete Arten dort wieder anzusiedeln, was

  1. Gleich im ersten Jahr des Bestehens des „Kosmos“ traten an ihn Vorschläge wegen eines Naturparks heran. Die Vorschläge haben sich immer wiederholt, ohne daß etwas Greifbares daraus entstehen konnte. Erst seit Anfang vorigen Jahres traten Anzeichen dafür ein, daß der Sache mit einiger Aussicht auf Erfolg näher getreten werden könnte. Es war daher für den „Kosmos“ eine besondere Freude, als auch Herr Francé einen ähnlichen Vorschlag machte und am Schluß seines Bändchens über das Leben des Waldes in begeisterter und begeisternder Weise für werktätigen Waldschutz eintrat.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Aufruf zur Gründung von Naturschutzparken, wiederabgedruckt unter anderem in: Naturschutzparke in Deutschland und Österreich. Ein Mahnwort an das deutsche und österreichische Volk. Internet Archive
  2. Am 23. Oktober 1909 wird der w:Verein Naturschutzpark gegründet, vergleiche Kurt Floericke: Der gegenwärtige Stand der Naturschutzpark-Bewegung.
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Floericke: Umschau über die Naturschutzbewegung. In: Kosmos – Handweiser für Naturfreunde, Bd. 6, Heft 4, Franckh’sche Verlagshandlung, Stuttgart 1909, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kurt_Floericke_Umschau_%C3%BCber_die_Naturschutzbewegung.pdf/6&oldid=- (Version vom 4.10.2017)