Seite:Kurt Floericke Umschau über die Naturschutzbewegung.pdf/5

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Kultur nützlich oder schädlich sind. Dieser Standpunkt ist ja erfreulicherweise auch schon in dem neuen deutschen Vogelschutzgesetz teilweise zum Ausdruck gekommen. Und wie mit den Tieren, so verhält es sich auch mit den Pflanzen. Keinen unserer herrlichen kraftstrotzenden Waldbäume, keines der lieblichen Blumenkinder möchten wir in unseren Forsten missen. Alles bildet ja ein zusammengehöriges, unauflösliches Ganzes, und eben dieses Ganze wollen wir uns erhalten, wenn es natürlich auch nur streckenweise und in kleinen Restbeständen möglich sein wird. Die neueste Richtung der Naturschutzbewegung geht deshalb darauf hinaus, Naturreservate zu schaffen, und kleine Anfänge dazu sind ja auch schon gemacht worden. In Professor Dr. Conwentz, dem Direktor des Westpreußischen Provinzial-Museums in Danzig, hatte diese Richtung ihren eifrigsten und erfolgreichsten Vorkämpfer, dem es insbesondere auch gelungen ist, die staatliche Behörde für seine Ideen zu gewinnen. Freilich die offiziellen Berichte dieser staatlichen Behörde, an deren Spitze Conwentz selbst getreten ist, und die allenthalben Provinzialverbände ins Leben rief, müssen sich, zumal Geldmittel, die nun einmal selbst zum Erreichen der idealsten Ziele unerläßlich sind, nicht zur Verfügung stehen, darauf beschränken, die in Schutz zu nehmenden Naturdenkmäler zu verzeichnen und der privaten Initiative zur Erhaltung zu empfehlen. Meines Erachtens muß aber die Naturschutzbewegung, wenn sie reiche und nachhaltige Früchte zeitigen soll, vor allem volkstümlich werden. Das ganze Volk muß sich bewußt werden, daß es sich hier um Erhaltung seiner reinsten und höchsten Güter handelt, das Volk selbst muß in idealer Begeisterung die nötigen Mittel aufbringen und so dem Staate die Wege weisen. Im kleinen ist ja in dieser Beziehung schon mancher vielversprechende Anlauf gemacht worden. Ich will ein schönes Beispiel dafür anführen, das auf jeden Naturfreund geradezu rührend wirken muß. Als ich vor einem Vierteljahrhundert auf verschiedenen thüringischen Gymnasien die Schulbank drückte, wurden dort in rascher Jugendbegeisterung für die Vogelwelt überall Vogelschutzvereine an den Gymnasien ins Leben gerufen. Einer davon, nämlich der zu Jena, hat sich bis auf den heutigen Tag erhalten. Damals faßten wir den kühnen Plan, eine besondere Kasse anzulegen, deren Erträgnisse zum Ankauf eines Berggrundstückes bei Jena verwendet werden sollten, das dann ganz für Vogelschutzzwecke herzurichten sei. Gewiß eine verwegene Idee für ein paar Gymnasiasten mit monatlich 3 Mark Taschengeld! Aber die Jahre kamen und gingen, an neuem Nachwuchs fehlte es nie, und die „alten Herren“ kamen in Amt und Würden und haben größtenteils den alten Lieblingsplan nicht vergessen, sondern die Bergkasse auch weiter mit Beiträgen bedacht. So wurde Groschen auf Groschen zusammengespart, und als ich im vorigen Jahre zur Feier des 25 jährigen Stiftungsfestes in Jena weilte, da konnte tatsächlich ein ansehnliches Berggrundstück angekauft werden, in dem die jungen Leute seitdem mit opferwilliger Begeisterung im Schweiße ihres Angesichts gearbeitet, und auf dem sie jetzt sogar ein hübsches Beobachtungshäuschen errichtet haben. Ich erwähne diesen lehrreichen Fall, der so recht zeigt, wie zähe Ausdauer und Beharrlichkeit schließlich doch selbst zu dem weitestgesteckten Ziele führen, hauptsächlich deshalb, um zu betonen, daß die erste Idee zu einem Naturschutzpark nicht von Behörden oder Gelehrten, sondern von einfachen Schülern ausgegangen ist, die die innere Sehnsucht zur Natur unverfälscht im Herzen trugen. Hut ab vor diesen jungen Leuten! In den letzten Jahren sind weitere günstige Fortschritte auf diesem Gebiet gemacht worden. Es bildete sich der Verein „Jordsand“, der das gleichnamige Inselchen bei Sylt für seine Zwecke erwarb; der bekannte Vogelschützer, Freiherr von Berlepsch, pachtete im Interesse der Seevögel den sogenannten Memmert zwischen Juist und Borkum, auch die vogelreiche Hallig Norderoog soll demnächst erworben werden; der Magistrat von Wien ist mit der Schaffung eines Wald- und Wiesengürtels um die schöne Kaiserstadt an der blauen Donau beschäftigt, wobei auch besonders Vogelschutzgehölze angelegt werden sollen, andere Großstädte (München, Bremen, Elberfeld, Breslau etc.) sind gefolgt. Unser „Kosmos“[WS 1] hat sich für die unversehrte Erhaltung der Garchinger Heide eingesetzt, ist für den Hakel- und Westerwald eingetreten, verschiedene Heimatschutzvereine haben namentlich seltene oder besonders ehrwürdige Bäume und originelle Felsbildungen vor der Vernichtung bewahrt. Frau Kommerzienrat Hähnle in Stuttgart, die rührige Vorsitzende des Bundes für Vogelschutz, hat eine Neckarinsel bei Lauffen für Vogelschutzzwecke erworben, in den Alpen sind als Zufluchtsstätten bedrängter Pflanzenarten schon an verschiedenen Stellen „Alpengärten“ entstanden, und es ist wohl kaum zu bezweifeln, daß in den nächsten Jahren diese Fälle sich noch beträchtlich vermehren werden. Aber bei all dem,

Anmerkungen (Wikisource)

Empfohlene Zitierweise:
Kurt Floericke: Umschau über die Naturschutzbewegung. In: Kosmos – Handweiser für Naturfreunde, Bd. 6, Heft 4, Franckh’sche Verlagshandlung, Stuttgart 1909, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kurt_Floericke_Umschau_%C3%BCber_die_Naturschutzbewegung.pdf/5&oldid=- (Version vom 1.4.2019)