Seite:Kunst und Wissenschaft.pdf/29

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

auch nicht von uns schön genannt werden wird, brauche ich nur zu erwähnen. Daß wir andererseits eine Natur, die unerwünschte Gefühle hervorruft, auch nicht schön finden werden, ist gleichfalls selbstverständlich. Um uns darüber klar zu werden, brauchen wir uns nur zu vergegenwärtigen, ob wir einen Sturm auf dem Meere vom Lande aus beobachten, oder von einem kleinen Boote aus, das jeden Augenblick umzuschlagen droht. Im zweiten Falle sind die durch die Naturerscheinung erregten Gefühle bei weitem die stärkeren, aber einen ästhetischen Wert werden wir nur im ersten Falle konstatieren können. Im zweiten Falle nimmt uns das Gefühl der Furcht so stark in Anspruch – wenigstens muß ich für mich bekennen, daß es so sein würde – daß wir für die Empfindungen des Großartigen im Sturm keine Zeit und Gedanken übrig behalten. Beim Anblicke eines gemalten Seesturmes fällt die Furcht ganz und gar fort, und so können wir noch vollständiger den Eindruck der Großartigkeit genießen, insbesondere wenn wir vorher einige unmittelbare Erfahrungen über derartige Ereignisse gesammelt hatten, und natürlich auch nur unter der Voraussetzung, daß der Künstler es verstanden hat, gerade das zur Anschauung zu bringen, was in uns das Gefühl des großartigen Ereignisses erweckt.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Ostwald: Kunst und Wissenschaft. Verlag von Veit und Comp., Leipzig 1905, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kunst_und_Wissenschaft.pdf/29&oldid=- (Version vom 1.8.2018)