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entstehen. Hier sehen Sie alsbald den tatsächlich sehr engen Zusammenhang zwischen diesen Künsten und der Kunst im engeren Sinne eben auf Grund der vorher ausgesprochenen Definition. Letztere ist eben nur ein Sonderfall des allgemeineren Begriffes Kunst. Eine von den vielen möglichen Künsten ist unter anderen auch die Kunst, Gefühle hervorzurufen, und zwar willkürlich oder auf künstlichem Wege. Wenn wir uns den doppelten Gebrauch des Wortes Kunst gestatten, so können wir noch prägnanter definieren: Kunst ist die Kunst, künstlich willkommene Gefühle hervorzurufen.

Von diesen Gesichtspunkten gewinnt man auch leicht eine klare Einsicht in das Verhältnis zwischen dem Naturschönen und dem Kunstschönen. Jeder, der versucht hat, sich in der ästhetischen Literatur zurechtzufinden, wird gewahr geworden sein, wie diese Frage ein wahres Kreuz für die theoretischen Ästhetiker ist, da doch einerseits beide so sehr ähnliche Wirkung haben, während andererseits die ästhetischen Definitionen sogar nicht auf den Fall passen wollen. Wir werden das Naturschöne einfach als dasjenige an den Naturerscheinungen aufzufassen haben, was erwünschte Gefühle in uns hervorruft. Daß eine Naturerscheinung, die gar keine Gefühle in uns hervorruft,

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Wilhelm Ostwald: Kunst und Wissenschaft. Verlag von Veit und Comp., Leipzig 1905, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kunst_und_Wissenschaft.pdf/28&oldid=- (Version vom 1.8.2018)