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Gestalt und Farbe, also künstlerisch ausführt, ebensowenig hört etwa ein schöngemalter Theatervorhang auf, ein Kunstwerk zu sein, wenn er außerdem den technischen Zweck erfüllt, die Bühne für die Zeit der Vorbereitung den Augen der Zuschauer zu verdecken. Es kann mit anderen Worten ein Ding gleichzeitig verschiedenen Zwecken dienen, und einer derselben kann natürlich auch der künstlerische Eindruck sein.

Wir werden uns also nicht scheuen, die Ähnlichkeit zwischen dem, was man früher Kunst im allgemeinen nannte, und der Kunst im heutigen engeren Sinne etwas eingehender zu verfolgen. In jenem weiteren Sinne heißt Kunst ein jedes Können. So gibt es eine Kunst des Schlittschuhlaufens und Radfahrens, eine des Drechselns, Schmiedens und Skatspielens, eine Kunst, sich in Damengesellschaft beliebt zu machen, bis zur Kunst des Lesens und Schreibens herab.

Das Allgemeine bei allen diesen Kunst genannten Dingen ist eine über das alltägliche hinausgehende Beherrschung irgend eines Gebietes des Geschehens derart, daß bestimmte Erscheinungen nach Belieben hervorgebracht werden können. Daher bezeichnet man auch solche willkürlich hervorgebrachte Dinge als künstlich im Gegensatz zu den natürlichen, die ohne Dazutun menschlicher oder sonstiger Willenstätigkeit

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Wilhelm Ostwald: Kunst und Wissenschaft. Verlag von Veit und Comp., Leipzig 1905, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kunst_und_Wissenschaft.pdf/27&oldid=- (Version vom 1.8.2018)