Seite:Kunst und Wissenschaft.pdf/22

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Ausführungen nicht erwartet hätten, und daß Sie nur durch Ihre Höflichkeit veranlaßt werden, überhaupt sitzen zu bleiben und weiter zu hören. Sie erinnern sich der Weihestunden, die Sie mit Beethovens neunter Symphonie oder vor Böcklins Bildern gefeiert haben, Sie wissen genau, wie die Kunst Sie emporgehoben hat, wenn das drückende Einerlei des Tages oder gar menschliche Gemeinheit Ihnen die Lebensfreude ausgelöscht und die trüben Schleier der Verstimmung über Ihren Tag gebreitet hatten. Und alles dieses soll durch jene nüchternen Worte umschlossen werden?

Ich hoffe, Sie, meine verehrten Zuhörer, durch das, was ich eben gesagt habe, überzeugt zu haben, daß auch bei mir ein persönliches und Herzensempfinden der Kunst gegenüber vorhanden ist. Wenn ich die Jahre überschaue, die ich durchmessen habe, wenn ich zurückdenke, wie ich die großen Aufgaben der Wissenschaft, an denen ich mitzuarbeiten so glücklich war, nur dadurch zu lösen wußte, daß ich einerseits monotone Kleinarbeit in weitestem Umfange übernahm, andererseits mich einer Gegnerschaft aussetzte, die sich unter Umständen bis zu bitterem Hasse gesteigert hat, dann weiß ich, wie mir die Kunst immer wieder Mut und Frische gegeben hat, wie ich schwere Überarbeitungen

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Ostwald: Kunst und Wissenschaft. Verlag von Veit und Comp., Leipzig 1905, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kunst_und_Wissenschaft.pdf/22&oldid=- (Version vom 1.8.2018)