Seite:Kunst und Wissenschaft.pdf/19

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Einheit verbunden. Sei es, daß die ersten Gesetze, die das Leben regelten und erleichterten, sich in das Gewand der Dichtung kleiden, sei es, daß die täglichen Geräte nicht in Gebrauch genommen wurden, bevor sie mit künstlerischem Ornamentenschmuck bedeckt waren — stets finden wir beide zusammen als den Ausdruck der beginnenden Herrschaft des Menschen über die ihn umgebende Natur. Die bemerkenswerteste Philosophengestalt des griechischen Altertums, Platon, ist durch und durch künstlerisch in der Gestaltung seiner kühnen, wenn auch falschen Gedanken und selbst der Vorgänger des eben vergangenen wissenschaftlichen Mechanismus, Lucretius, kleidet seine naturwissenschaftlichen Hypothesen in ein dichterisches Gewand.

So werden wir nicht zu fragen haben: wie sollen Kunst und Wissenschaft zusammen kommen, sondern wir müssen erst die Antwort auf die Frage haben: wie sind sie auseinander gekommen? Auch diese Antwort will ich vorausnehmen: sie sind auseinander gekommen, weil sie verschiedenen Schrittes gehen. Die Kunst geht immer voran: als die große Zeit der italienischen Malerei während des sechzehnten Jahrhunderts im Erlöschen war, begann die große Zeit der italienischen Wissenschaft unter der Führung des unvergleichlichen Meisters Galilei, und der große Akkord der deutschen

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Ostwald: Kunst und Wissenschaft. Verlag von Veit und Comp., Leipzig 1905, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kunst_und_Wissenschaft.pdf/19&oldid=- (Version vom 1.8.2018)