Seite:Kunst und Wissenschaft.pdf/16

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

verbreitet hat; die vorher geschilderte Strenge hat gegenwärtig wohl noch die Mehrheit, soweit diese gezählt wird. Wird sie freilich gewogen, so dürfte ein günstigeres Ergebnis für die Vertreter der neueren Anschauung herauskommen. Ich bin glücklich, hier an dieser Stelle und in diesem Zusammenhange den Namen des Mannes nennen zu dürfen, dem nicht nur die Wissenschaft eine entscheidende Führung nach dieser Richtung verdankt, sondern der auch heute der unmittelbare Anlass gewesen ist, daß ich zu Ihnen reden darf. Es ist Ernst Mach, der Mann, welcher der allgemeinen Wissenschaft seit einem Menschenalter die neuen Wege gezeigt und erläutert hat, die sie nun endlich mehr und mehr zu gehen beginnt.

Sie werden vielleicht schon seit einiger Zeit gefragt haben, was denn diese Betrachtungen mit der Kunst zu tun haben. Nun, wir können sie jedenfalls unmittelbar auf die Wissenschaft von der Kunst, die Ästhetik, anwenden. Die frühere Ästhetik, die Ästhetik von oben, wie sie Gustav Theodor Fechner zu nennen liebte, war solch eine befehlende Wissenschaft. Noch heute gibt es Vertreter derselben, die den Anspruch erheben, sie sei tatsächlich eine normative Wissenschaft, sie habe die Fähigkeit und daher das Recht, dem Künstler vorzuschreiben, was er zu tun, und insbesondere was

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Ostwald: Kunst und Wissenschaft. Verlag von Veit und Comp., Leipzig 1905, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kunst_und_Wissenschaft.pdf/16&oldid=- (Version vom 1.8.2018)