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gezwungen, gerade diesen oder jenen Weg zu gehen; ja niemand hindert uns, unmittelbar in den Sumpf hineinzusteuern. Nur belehrt uns das Naturgesetz, daß, wenn wir diesen Weg verfolgen, wir in den Sumpf geraten werden, denn es ist vor uns ein zuverlässiger Mann dagewesen, der ihn gesehen, untersucht und darüber Nachricht hinterlassen hat. Und der Fortschritt der Wissenschaft entspricht der Anbringung einer immer größeren Anzahl von zuverlässigen Wegweisern. Manchmal hat sich der erste Erforscher geirrt, und man kann ganz wohl einen Weg gehen, der früher für ungangbar gehalten worden war. Und dann findet es sich auch wohl, daß der erste Entdecker eines neuen Weges von allen möglichen Wegen gerade den unbequemsten und umständlichsten gegangen ist. Der Nachfolger hat es freilich leichter; nachdem er weiß, daß man jedenfalls ans Ziel gelangen kann, darf er seine Zeit und Aufmerksamkeit ungeteilt auf die Ermittelung eines besseren Weges wenden; die Nachwelt aber weiß dem ersten Pfadfinder um so mehr Dank, als er neben den unabwendbaren Schwierigkeiten des Zieles noch jene zufälligen des ersten Weges überwunden hat.

Es ist nicht sehr lange her, daß sich diese milde oder gemütliche Auffassung der Naturgesetze allgemeiner

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Wilhelm Ostwald: Kunst und Wissenschaft. Verlag von Veit und Comp., Leipzig 1905, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kunst_und_Wissenschaft.pdf/15&oldid=- (Version vom 1.8.2018)