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Ich glaube man darf ja sagen, wenigstens ein bedingtes Ja. Es hat Momente gegeben, wo beide so friedlich und förderlich miteinander gehaust haben, wie es ein Menschenfreund nur irgend wünschen kann; ich brauche nur die Namen Lionardo da Vinci und Albrecht Dürer zu nennen. In der Brust und dem Kopfe dieser Männer bestand kein Gegensatz zwischen Wissenschaft und Kunst; eine förderte vielmehr die andere, und zwar nicht einseitig, sondern gegenseitig. Ohne ihre Wissenschaft wären jene Männer nicht die großen Künstler gewesen, ohne ihre Kunst hätte ihnen der beste Teil des wissenschaftlichen Antriebes und der wissenschaftlichen Anschauung gefehlt.

Das sind vereinzelte Erscheinungen, werden Sie sagen, und Ausnahmen beweisen die Regel. Ersteres gebe ich zu, letzteres bestreite ich. Ich kenne keine unsinnigere Behauptung, als daß Ausnahmen die Regel beweisen sollen; meine Logik, soweit ich über sie verfüge, sagt mir im Gegenteil, daß Ausnahmen die Regel entweder ganz umwerfen oder sie mindestens zweifelhaft machen. Wenn also derartige Erscheinungen auftreten, wie wir sie an jenen Männern bewundern, so haben wir sie nicht fortzuschieben mit jener Redensart, sondern wir haben zu untersuchen, wie eine so schöne und wertvolle Erscheinung zustande gekommen ist, um sie womöglich

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Wilhelm Ostwald: Kunst und Wissenschaft. Verlag von Veit und Comp., Leipzig 1905, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kunst_und_Wissenschaft.pdf/11&oldid=- (Version vom 1.8.2018)