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„Vor uns liegt ein glücklich Hoffen,
Liegt der Zukunft goldne Zeit,
Steht ein ganzer Himmel offen,
Blüht der Freiheit Seligkeit.
Deutsche Kunst und deutsche Lieder,
Frauenhuld und Liebesglück,
Alles Große kommt uns wieder,
Alles Schöne kehrt zurück!“

Die Hoffnung behielt Recht, aber für die Nation und die Zukunft. Unterdessen sind die Einzelnen nicht am schlimmsten daran gewesen, denen das Schicksal „den seligen Wehrmannstod“ bescheerte, und unter ihnen wird der mit Leier und Schwert gerüstete schwarze Jäger im Herzen seines Volkes leben, bis einst das letzte deutsche Lied verhallt.

Ihm zunächst in lyrischer Kraft, melodienreichem Schwung, musikalischer Dichterherrlichkeit, wenn auch weit ab von der unbefangenen Einfachheit des Körner’schen Fühlens und Denkens steht Max von Schenkendorf[1], der romantische „Kaisersänger“. Es ist eine oft gemachte Wahrnehmung, daß die als kalt-kritisch berufene ostpreußische Naturanlage nicht so gar selten in das entgegengesetzte Extrem eines weichen Mysticismus umschlägt. Ostpreußen hat nicht nur Kant, und viele, theoretische und practische, Kan­tianer hervorgebracht, sondern auch Hamann, Herder, Hippel, Zacharias Werner, Theodor Hoffmann, – und Schönherr, Ebel, Diestel mit ihren „Muckern“. Nach diesem, wenn der Ausdruck erlaubt ist, negativen, weib­lichen Pol der ostpreußischen Nation gravitirt auch Schenkendorf; aber er ist, in deutscher Dichtkunst, sein bei Weitem liebenswürdigster reinster Vertreter. Die geistige Atmosphäre der adeligen, altpreußischen Kreise, in denen er sich fast ausschließlich bewegte, persönliche Einflüsse, wie der Frau von Krüdener und Jung-Stillings, hielten ihn fest in der Atmosphäre romantisch-religiöser Gemüthsseligkeit, für die schon früh Novalis und der andern, verwandten Romantiker Schriften ihn angeregt hatten. Schenkendorf schwärmte für gläubiges Aufgehen in die Geheimnisse der Christuslehre, für die Herrlich­keit der mittelalterlichen, weltbeherrschenden Kirche, und für das mit ihr in (ach, wie stürmischer!) Ehe verbundene „heilige römische Kaiserthum deutscher Nation“. Dabei aber hat er sich durchaus fern gehalten von der Schärfe der sectirerischen, romantischen Aesthetik und von den bedenklichen Orgien ihrer „Kunstreligion“, so wie von der frivolen romantischen „Ironie“, in welche dieselbe bei den besseren Köpfen nur zu natürlich umschlagen mußte. Seine Natur war dafür zu altpreußisch einfach und ehrlich. So stieg er denn 1813 zu Pferde, wie der geistesverwandte De la Motte Fouqué, mit dem Gefühle des treuen ritterlichen Vasallen, der zu der Fahne des Lehns­herrn eilt. Von der ingrimmigen Empörung und dem hochfliegenden Idea­lismus der Körner’schen Kriegslieder stimmen seine und Fouque’s Zeitgedichte sich theils zu heiter oder sentimental-volksthümlichem Soldatengesang, theils, und das gilt besonders von Schenkendorf, zu dem Tone sinnig träumerischer Herzensergüsse, mit tief gemüthlicher Wärme herab. Wenn Körner’s Gewissen

  1. Max von Schenkendorf, geboren am 11. Dec. 1783 zu Tilsit, studirte in Königsberg Kameralwissenschaft, wurde Referendar, ging 1812 zu Jung-Stilling, dem mystischen Seher, nach Karlsruhe, folgte 1813–14 dem preußischen Heere, starb am 11. December 1817 als Regierungsrath zu Coblenz. – Christliche Gedichte, 1814. Gedichte 1815. – Sämmtliche Gedichte herausgegeben von A Hagen, zweite Auflage. 1862. – Biographie von A. Hagen, 1863.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kreyßig: Die Dichter der Befreiungskriege. A. H. Payne, Leipzig 1870, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kreyssig-Die_Dichter_der_Befreiungskriege.pdf/6&oldid=- (Version vom 10.12.2016)