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Nicht vergeblich strich sie im Walde umher. Welcher Christenmensch geht in den Wald, um zuzuhören, wie er rauscht?

Und weswegen wollte sie nicht sagen, wer sie sei? Und weswegen sollte sie damals am Hofe gewesen sein, da er sich an ihr Gesicht nicht erinnern konnte? Und dann: sie hatte kein Glück! Nur die von Gott gänzlich Verstoßenen haben es nicht … etwas Glück giebt Gott stets einem jeden mit. Sie wollte ihm das seinige abwendig machen. Ha, ha, ha!

„Du mußt mich suchen!“ hatte sie im Traume gezischelt. „Ja, suchen!“ damit er hierherkam, ihrem Rufe, weiß Gott wohin, folgte, irre gehe und in die Klauen ihrer Sippschaft falle und sein Glück auf sie übergehe! Weswegen fragte sie, ob er der einzige Sohn sei? Nur die einzigen Söhne haben besonderes Glück.

Und weswegen versprach sie nicht damals, wiederzukommen, wenn sie thatsächlich ein Mädchen und ein christliches Menschenkind war? Weshalb fürchtete sie sich nicht im Walde, wenn sie ganz allein war? Und vor ihm that sie, als ob sie sich fürchtete! Er war doch kein Dobusch[1]!

  1. Berühmter kleinrussischer Räuberhäuptling.
Empfohlene Zitierweise:
Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/95&oldid=- (Version vom 13.9.2022)