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er sich in großen, schäumenden Wellen, die, schmutzigmatt, im Mondlicht unheimlich schimmerten.

Er blieb, an eine Fichte gelehnt, stehen und sah weit vor sich in die Ferne. Schöner und sehnsuchtweckender denn je lag eine ganze Gebirgskette vor seinen Blicken. Vom magischen Mondlicht, von Millionen flimmernder Sterne beleuchtet, war sie von märchenhafter Schönheit.

Ob er das großartige Schöne in der Natur merkte oder fühlte? Er war den prächtigen Anblick, den das Gebirge bot, von Kindheit an gewöhnt, taghelle, lautlos schweigende Sommernächte waren ihm bekannt, denn er hatte mehr als eine wachend bei seiner Pferdeherde zugebracht; – und doch! – und doch wurde sein Herz, als sein Blick über die in blaue Nebel gehüllten Gipfel schweifte, von tiefer und unerklärlicher Sehnsucht erfaßt!

Und da zu seinen Füßen wogten und murmelten die Wellen etwas Trauriges; ihre Laute weckten in seinem Herzen … Thränen. Ja, es ward ihm schwer und einsam, und er wußte selber nicht, wie es kam, daß er zu singen begann … Ein echtes Kind seines Volkes, suchte er Erleichterung im Gesange. Er sang in langgezogenen Tönen eine jener

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Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/88&oldid=- (Version vom 13.9.2022)