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wucherten aus dickem Moose, und hier und da schlanke Glockenblumen … Leise, eintönig rauschte der Wald.

Schattige Kühle legte sich um ihre Glieder. Irgend ein Waldvogel hatte in ihrer Nähe aufgekreischt; sie war ängstlich zusammengefahren.

„Du fürchtest dich?“ fragte er beklommen.

„Nur heute. Sonst niemals.“

„Du bist also täglich hier? Und weshalb fürchtest du dich heute?“

„Ich weiß nicht … ich fühle mich weniger einsam, wenn ich ganz allein im Walde bin.“

„Wie kommt das?“

„Ich weiß nicht … ich weiß – wirklich nicht …“

„Was thust du hier?“

„Nichts. Ich komme nur so hierher. Ja – manchmal male ich die Tannen … gewöhnlich höre ich zu, wie die Bäume rauschen. Sie rauschen wie das Meer, nur um vieles schwächer. Du weißt nicht, wie das Meer rauscht … gehört habe ich es auch nicht, aber ich weiß, wie es rauscht … horch!“

Beide horchten mit angehaltenem Atem.

Hörbar schlug jedem einzelnen das Herz.

Empfohlene Zitierweise:
Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/65&oldid=- (Version vom 13.9.2022)