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habe ich nur der unglücklichen Stunde zu verdanken, in der ich die Tanne abhackte!“

„Es giebt keine glücklichen oder unglücklichen Stunden,“ meinte sie.

„Oho!“ protestierte er.

„Glaube mir. Wenn du studiert hättest, würdest du derlei Unsinn nicht reden!“

Seine Augen funkelten auf.

„Du glaubst, wenn man lesen und schreiben kann, hat man schon den Herrgott beim Fuße erwischt? Auch die Heiligen sind noch da. Ich sage ja nicht - gescheidt sind ja die Leute, die lernen; aber sie sind auch schlecht!“

„Mitunter ja; aber glaube nicht, daß Unwissenheit besser macht.“

„Was weiß ich?“ sprach er. „Wie Gott einen erschafft, so ist man; wie einem das Schicksal beschieden wird, so lebt man; wenn einem die Zeit ausgeht, so stirbt man. Ich kann gescheidt sein, wie ich will: wenn Gott es will, so kann ich doch sterben!“

„Gewiß – dagegen läßt sich nichts thun.“

„Siehst du? – Und wenn sie, die Gescheidten, so gut sind, weshalb nimmst du nicht einen zum Herrn?“

Empfohlene Zitierweise:
Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/61&oldid=- (Version vom 13.9.2022)