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rotes Seidentuch gehüllt, dessen Enden von rückwärts zusammengebunden waren und Gesicht und Hals freiließen. Das Gesicht war perlmutterweiß … und schön … und die Augen groß und glänzend und unendlich traurig …

Schweigend starrten sie sich einen Moment an …

„Wünsch’ gute Gesundheit, Frau!“ grüßte er endlich zaghaft und erhob sich.

„Gott grüße dich!“ hatte sie in etwas ermüdetem Tone geantwortet und ihm zugenickt wie eine Bekannte … Dann zog sie das Seidentuch vom Kopfe, wischte sich damit die leichtverschwitzte Stirn, umging ihn langsam und schritt weiter auf dem steilen Bergweg. –

Er folgte ihr.

Sie war von hohem, geschmeidigem Wuchs und wiegte sich im Gehen leicht in den Hüften.

Rotblonde, dicke Flechten, gegen das Ende zu aufgelöst, hingen ihr über den Rücken.

„Mein Gott, rotes Haar,“ dachte er sich. „Wie eine Hexe – ein solches hat kein einziges Mädchen bei uns im Dorfe – alle sind schwarz. Was sie sich nur nach mir sehnen werden … bin ja schon

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Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/57&oldid=- (Version vom 13.9.2022)