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Sie stand beim Fenster und sah zu, wie es in seiner Wildheit sich bäumte und unbändig schien. Ein junger und schöner Huzule, den sie schon öfters in ihres Vaters Kanzlei gehen sah, hielt das Tier und gab sich alle Mühe, es zum Stillstehen zu zwingen, um auf Wunsch seine Hufe auch von unten betrachten zu lassen.

Es schien ihm das nicht zu gelingen.

Eine plötzliche, unwiderstehliche Lust überkam sie, das Tier zu bändigen. Ihre Blicke glommen auf, und die feinen Nasenflügel erzitterten. Es regte sich etwas in ihr, was an Thatenlust gemahnte, und trieb sie hinaus.

Sie lief so, wie sie im Zimmer stand, mit bloßem Kopfe, auf den Hof. Als sie jedoch fünf Schritte vor dem Tiere stand und es sich just in diesem Momente bäumte, erschrak sie derart, daß die Kniee unter ihr erzitterten und sie erblaßte.

Einige Minuten später lag sie ermattet im Lehnstuhl, und ihre schönen, blassen, beringten Hände lagen müde im Schoße und hoben sich vornehm und unbeweglich von dem schwarzen Spitzenkleide ab …

Bah! – was war ihr?

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Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/44&oldid=- (Version vom 13.9.2022)