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Gierig verschlang sie die Laute des Wassers und bildete sie um zum Lachen. Klang vielleicht nicht das Fallen eines Baches über Fels und Stein wie halblautes Lachen? Wenn man sich hineinhörte …

Ein andermal vertiefte sie sich ganz in das Rauschen des Waldes, und das Antlitz verhüllt, bildete sie sich ein, sie läge am Meeresstrande.

So müßten die Meereswellen rauschen, so wie der Fichtenwald, genau so … nur vielleicht etwas lauter.

Es war ihr Lieblingswunsch, aufs Meer hinauszukommen, es einmal bei Sturm zu sehen oder bei Sonnenaufgang oder bei Mondlicht. Das mußte eine andere Art Schönheit sein, als das Gebirge; unruhig und voller Abwechslung, verlockend und prächtig. Das Gebirge in seiner stoischen, düsteren Ruhe stimmte schwermütig und weckte immer mehr ein Schönheitsverlangen, als daß es ein solches zu stillen vermochte.

So träumte sie auch von den Fjorden da oben im Nordland … Hie und da klang durch den Wald die trauervolle Dumka[1] eines einsam reitenden

  1. Kleinrussisches Trauerlied.
Empfohlene Zitierweise:
Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/42&oldid=- (Version vom 13.9.2022)